Der Exorzismus der Tracy Crowell (Film)

„Der Exorzismus der Tracy Crowell“ wurde von Scott B. Hansen 2016 gedreht. Ich habe den Film auf Amazon Video gesehen und vergebe **.
Info @ Filmstarts / Der Text spoilert den Film!

Ein Film, der vielversprechend beginnt, aber sehr schnell bergab geht und sich nicht erholt, so schreibt sinngemäß ein Nutzer auf IMDB. Das ist tatsächlich so: die Eingangsszene des gescheiterten Exorzismus der Tracy Crowell ist sehr gut umgesetzt und macht Lust auf mehr, auf einen guten Film. Den bleibt der Regisseur schuldig. Vor allem die schauspielerische Qualität ist m.E. noch unter B-Movie-Niveau…

Ich will den Film daher nicht chronologisch beschreiben, sondern die Geschichte um Brandon Jensen, den Protagonisten, zusammenfassen, auch wenn Fragen bzgl. der Logik bleiben. Im Abspann sehen wir, wie ein Mädchen in einer Truhe ein Ouija-Brett findet. Ich kann nur vermuten, daß das die junge Tracy ist, die dadurch in Berührung mit einer dämonischen Gegenwelt kommt. Als junge Frau wird sie von vermummten Männern gekidnappt und in einem satanischen Ritual in einer Art Stollen im Berg vergewaltigt (neben Satan wird auch Pan angerufen). Dadurch ergreift offenbar der Teufel oder ein Dämon Besitz von Tracy.

Wir sehen dann als Intro-Szene zum Film Bildmaterial aus der 29. Sitzung des Exorzismus der Tracy vom 14.11.1994. Das ist in der Tat sehr gut dargestellt, v.a. die Entstellung der Besessenen, die Aggressivität des Dämons. Der Exorzismus geht schief, alle Anwesenden außer Kameramann und einem Baby, das sich im Haus befindet, werden getötet. Eine Besonderheit im Rahmen des Filmgenres ist hier, daß der Dämon Menschen zwingen kann, Waffen gegen sich selbst zu richten.  Dieses Baby ist Brandon, der in der Folge von einem Paar adoptiert wird. Wir sehen spät im Film, wie die besessene Tracy am Kinderbett steht und in einer nicht genau zu sehenden Form dem Baby Gewalt antut. Man kann vermuten, daß sie einen Keim des Dämonischen dem Kind einpflanzt. Wir haben also die Abfolge: Ouija-Brett – Tracy – Ritual im Stollen – Besessenheit – Weitergabe an Baby Brandon.

Sprung zur Jetztzeit: Brandon studiert und will für „Religionen der Welt“ eine Abschlußarbeit zum Thema Exorzismus verfassen, da das Thema auf ihn einen großen Reiz ausübt. Er erfährt vom gescheiterten Exorzismus der Tracy Crowell vor 20 Jahren in einem Nachbarort. Mit einem Kommilitonen erkundet er das Haus der Geschehnisse und findet das Ouija-Board.  Ich kann weiter nur vermuten, daß der schon in Brandon befindliche, dämonische Keim ihn dazu bringt, Fundraising-Kampagne zu starten: er sammelt 10000$ dafür, daß er seinen Körper einem potentiellen Dämon zur Verfügung stellen wird. All das soll live im Netz gestreamt werden. Bei der ersten Übertragung einer Session mit dem Ouija-Brett im Haus meldet sich eine Entität mit Namen „Mana“, die sagt, sie warte (auf Brandon).

Die nächste Session mit einem Medium und einer Medizinstudentin läuft aus dem Ruder; danach ist Brandon verändert. Er besucht seine Mutter, die ihn rauswirft und sich später selbst tötet. Ebenso besucht er den Vater, der eben jener Kameramann ist, der den Exorzismus an Tracy aufgezeichnet hat. Erst jetzt erfährt Brandon, daß er adoptiert ist. Seine Zuschauer sehen in all dem einen „Fake“; Brandon gesteht ihnen, daß nichts passiert sei.

Nach dem Tod der Mutter flieht Brandon vor der Polizei in den Wald und findet sinnigerweise den gleichen Stollen des Rituals um Tracy. Hier werden die Filmschnitte sehr wirr, der Zuschauer begreift aber zum ersten Mal, daß da eine Art Sekte Rituale abhält. Hierauf bezieht sich ein Telefonat zweier Männer in Business-Anzügen, der eine vor einem Zerstörer der Navy posierend, was wohl zeigen soll, daß die Sekte in „höchsten Regierungskreisen“ angesiedelt ist. Person A fragt, ob „es“ der Gleiche ist, B bestätigt, A sagt: Dann tun Sie es.

Nun wird klar: Tracy wurde ein „teuflischer Samen“ eingepflanzt, das Baby, Brandon, ist davon betroffen. Die Person B aus dem Telefonat gibt sich als Priester aus, bietet einen Exorzismus an. De facto soll Brandon aber befreit werden, um sein dämonisches Werk fortführen zu können („vollende dein Werk“). Brandon tötet ein paar Menschen, was aber im Film schwach dargestellt ist. Zuletzt stellt ihn der Detective der Polizei, schießt auf ihn. Man sieht eine Traum-Reprise: die Adoptiveltern mit dem ‚süßen‘ Baby, dann den erwachsenen Brandon, wie er auf Tracy zugeht, so nach dem Motto: endlich sind Mutter und Sohn vereint. Hier endet der Film.

Die Arbeit des Kamerateams und die Idee mit dem Livestream vom Selbstexperiment lohnen das Anschauen, der Rest leider nicht.

Infinity Pool (Film)

Der Text spoilert den Film!

Würde ein Mensch, der sich selbst verachtet, sich haßt, die Chance wahrnehmen, sein Ich, seinen Körper töten zu lassen, um als sein eigener Klon erneut/weiter leben zu können? Aber da dies ein 100%iger Klon ist, ist der Selbsthaß auch wieder da. Was gewänne – verlöre – man?

Ich sage es mal so: Manches in diesem empfehlenswerten Film (allein schon, weil Mia Goth mich triggert) bleibt unklar. Bei Verbrechen kann man sich in diesem fiktiven tropischen Land von der Todesstrafe freikaufen, wenn man die Anfertigung eines Klons bezahlt, der dann hingerichtet wird. Diesen Freibrief für ungezügelten Hedonismus und willkürliche Gewalt nutzt eine Gruppe von reichen Urlaubern aus, federführend die verführerische Gabi (Mia Goth), um den Urlaub ungehemmt und jenseits gesellschaftlicher Regeln verbringen zu können. Infinity Pool (Film) weiterlesen

Der Totengräber

„Einst, als ich eine meiner toten Seelen begrub, trat der Totengräber zu mir hin und sagte: ‚Von allen, die hierher kommen, um zu begraben, bist du der Einzige, den ich mag.‘

Ich sagte: ‚Das freut mich außerordentlich, aber warum magst du mich so?‘

‚Weil die anderen‘, sagte er, ‚weinend hierher kommen und weinend wieder gehen. Du bist der Einzige, der lachend kommt und lachend geht.'“

[Der Totengräber, Khalil Gibran]

Im Sommer ist’s warm.

M'era Luna Festival, Mera Luna, 2004, Hitze, Sommer, Schirme
Hitze beim M’era Luna 2004

Ein warmer Sommertag kündigte sich heute morgen an, als ich barfuß über die noch kühlen Steine zu den Mülltonnen ging. Der Himmel blau, ein paar Schleierwolken. Also schnell einen Kaffee getrunken und bei noch moderaten Temperaturen ab ins Fitness-Studio.

Dort lief so ein Morgenmagazin im TV, zehnfach übertragen in jede Ecke des Studios. Und Bilder von ausgedörrter Erde, Waldbränden, von Unwettern niedergedrückte Carports usw. „Extremwetter“ sei das, stand in den Untertiteln bei abgestelltem Ton, aktuell eben große Hitzewellen, seit vielen Jahren immer wieder Hitze – IM SOMMER, ihr Deppen!
Geht das noch wem auf den Sack, dieses „betreute Leben“ seit Corona? Ich sehe bei Politikern und Medienvertretern da ein besorgniserregendes Mißverständnis: sie meinen, die „dumme Bevölkerung“ müßte ständig aufgeklärt und angeleitet, mithin gegängelt werden. Von dort ist es ein kleiner Sprung zu weitergehender Kontrolle. Wen man ständig in Angst und Panik hält, den kann man gut kontrollieren. Nein, ist kein politisches Blog, aber schaut mal oben auf das Bild: beim heißen M’era Luna 2004 wußten die Menschen schon, wie man sich gegen Sonne schützt. So was – woher wußten die das bloß? *facepalm*

Requiem (Film)

Requiem“ wurde 2006 von H.-Chr. Schmid gedreht. Ich habe die Kaufversion auf iTunes gesehen und vergebe ***.
(Wikipedia) – Der Text spoilert den Film!

Requiem behandelt den Exorzismus-Fall der Anneliese Michel, s. Der Exorzismus der Anneliese M. für ein paar Hintergrund-Infos zum echten Fall oder diesen Artikel bei National Geographic.

Der Film wird auch besprochen in Sven Großhans‘ Buch „Das Schauspiel der Besessenheit – Exorzismus im Film“ (Berlin (Logos), 2010).

Hier im Film heißt die weibliche Hauptperson Michaela Klingler (vermutlich eine wenig kreative Wortschöpfung aus Klingenberg (Wohnort der echten Anneliese) und dem Nachnamen Michel). Requiem (Film) weiterlesen

Biological Needs

Bathroom, Lost Place„… as if Zach considered sex a biological need on the order of going to the bathroom: you didn’t form an emotional bond with every toilet you took a crap in, and when you were done, you flushed and walked away – feeling better, to be sure, but not really thinking about what you’d just done.“

Poppy Z. Brite, Drawing Blood

Der Exorzist (Film)

Der Exorzist“ wurde 1973 von William Friedkin gedreht. Der Film basiert auf dem 1971er Roman gleichen Titels von William Peter Blatty, der auch das Drehbuch für den Film (und Exorzist 3 – basierend auf Blattys Nachfolgeroman ‚Legion‘ von 1983) schrieb. Ich habe den Film via iTunes gekauft (Director’s Cut, s.u.) und vergebe ****. (Wikipedia)

Dieser Text spoilert den Film!

Der Film wird auch besprochen in Sven Großhans‘ Buch „Das Schauspiel der Besessenheit – Exorzismus im Film“ (Berlin (Logos), 2010). Besonders ausführlich beschreibt ihn Monika Scala in „Der Exorzismus in der Katholischen Kirche“.

Der Director’s Cut des Romanautors Blatty (!) aus dem Jahre 2001 trägt den Untertitel: „The version you’ve never seen“. Es sind zusätzliche Szenen wie Regans „Spiderwalk“ zu sehen.
Friedkin wollte 1973 ein offenes, kurzes Ende, damit Fortsetzungen möglich sind. Blatty veränderte im Director’s Cut dahingehend, daß Polizist Kinderman und Pater Dyer sich verabreden, was zu Exorzist 3 überführt.

Auf Youtube gibt es anläßlich des 25. Jubiläums des Films ein „Making of“ mit dem Titel The Fear of God und eine Doku aus dem Jahre 1974.

Der Film beginnt mit Aufnahmen im Irak, wo Pater Lankester Merrin ein kleines Amulett findet, das den Kopf einer Statue des (Wind-)Dämons Pazuzu darstellt.  [Der Youtuber Rob Ager hat diesen Irak-Vorspann in einem ausführlichen, sehenswerten Video erläutert.]

Schwenk in die USA, Georgetown/Washington D.C.: dort lebt die geschiedene Schauspielerin Chris MacNeil mit ihrer Tochter Regan. Der in der gleichen Stadt arbeitende Pater Damien Karras wird zunächst beobachtend vorgestellt; er ist ebenfalls Psychiater.

Im MacNeil-Haus geschehen seltsame Dinge, ein Scharren ist auf dem Dachboden zu hören, die Tochter Regan, 12 Jahre alt, spielt mit einem Ouija-Brett, durch das ihr ein „Captain Howdy“ antwortet. Bald beginnt Regans Bett nachts zu wackeln, und das Mädchen macht die unheilvolle Vorhersage zu Burke Dennings, Regisseur und Freund der Mutter: „Du wirst sterben da oben!“

Merrin und Karras treffen sich, letzterer gesteht dem älteren Pater, daß er seinen Glauben verloren habe. Karras geht durch eine schwere Phase: die altersschwache Mutter kommt in die Psychiatrie und stirbt dort, während Karras sich vorwirft, nicht ausreichend für sie gesorgt zu haben. In seiner Kirche wird eine Marienstatue entweiht (wobei man nur vermuten kann, daß Regan das war; im Film werden satanistische Gruppen dahinter vermutet [mehr dazu und andere vertiefende Erklärungen mit nochmaligem Verweis auf Rob Ager]).

Regan ist mittlerweile charakterlich stark verändert/besessen. Durch ihre Einwirkung stirbt Dennings tatsächlich, indem er eine steile Treppe neben dem Haus hinunterfällt. Die Mutter läßt Regan im Krankenhaus untersuchen, es kann keine tragfähige Diagnose gestellt werden. Man probiert Medikamente und Hypnose, doch plötzlich spricht der Dämon aus dem Kind und greift den Hypnotiseur an. Nun schlägt einer der Ärzte im Krankenhaus den Exorzismus vor. Regans Zustand wird immer schlimmer, sie verletzt sich selbst mit einer Schere, schreit vulgäre Phrasen und verändert sich äußerlich stark. Die Mutter kontaktiert Karras, der den Exorzismus ablehnt, Regan aber besucht. Als der Teufel aus dem Mädchen spricht, zweifelt Karras weiter, weil er glaubt, sie halte sich für den Teufel, ähnlich wie sich jemand als Napoleon sehen kann. Für Karras sind die Symptome nicht eindeutig: der Dämon reagiert auf „Weihwasser“, das nur normales Leitungswasser ist, andererseits spricht Regan in Sprachen, die sie nicht beherrscht. Letztlich sieht man in narbenartiger Schrift auf Regans Bauch den Schriftzug: „Help me.“

Nach diesem „Probe-Exorzismus“ beantragt Karras den eigentlichen Exorzismus, doch Merrin erhält den Auftrag dazu, während Karras assistieren soll. Er weist den Jüngeren an, auf keinen Fall direkt mit dem Dämon zu reden. Karras meint, drei Persönlichkeiten hätten sich in Regan manifestiert, doch Merrin korrigiert ihn barsch: es sei nur eine (der Teufel? Pazuzu?). Regans Leidensgeschichte will Merrin nicht hören.

Der Exorzismus beginnt, Regan levitiert über dem Bett, die Priester rufen wiederholt: „Die Kraft Jesu Christi bezwingt dich…“ Die o.e. Monika Scala führt aus, daß sich der Film sehr genau an den Ablauf des Exorzismus-Rituals der Katholischen Kirche hält.
Der Dämon greift Karras an, indem er mit der Stimme von dessen verstorbener Mutter spricht. Merrin schickt den dadurch beeinträchtigten Priesterkollegen aus dem Zimmer.  Als dieser später zurückkommt, findet er den Älteren tot auf dem Bett; Regan sitzt dämonisch lächelnd daneben.

Sehr deutlich wiederholt dieser Pater Merrin den zentralen Ritus des Christentums, das Opfer. Bevor er seinen Tod annimmt, lässt der Dämon Regan in der Haltung des Gekreuzigten über ihrem Bett schweben, und die Masturbation mit dem blutverschmierten Kreuz verweist nicht nur auf die ‚satanische‘ Umkehr der kirchlichen Riten und Symbole, sondern auch auf die unumkehrbare Verbindung von Religion, Gewalt und Lust in der Geschichte des christlichen Abendlandes.“

[Neues aus der Hölle: Die Exorzismus-Welle, in: Seeßlen, Georg / Jung, Fernand: Horror: Grundlagen des populären Films]

Karras kämpft nun selbst mit dem Dämon, fordert ihn auf, Regan zu verlassen und in ihn zu fahren. Das geschieht, woraufhin der Priester aus dem Fenster springt, die Treppe (wie Dennings offenbar) hinabstürzt und stirbt. Ziel ist: durch das „Selbstopfer“ den Dämon zu besiegen. Im christlichen Sinn: Karras nimmt „die Sünde“ (den Dämon) wie Jesus auf sich und stirbt. Man hat auch diesen Treppensturz als das Hinabsteigen Jesu/Karras‘ in das Totenreich interpretiert. Auf einer persönlichen Ebene erlangt Karras „Erlösung“ – das Selbstopfer ist höchster Ausdruck seines Glaubens.

Der Film endet damit, daß die Familie aus dem Haus auszieht. Die von Merrin fallengelassene Münze (eine St.-Josefs-Medaille) bewahrt die Mutter auf, um sie an einen Pater Dyer (Freund von Karras) weiterzureichen.

Dies ist der Klassiker aller Exorzismus-Filme, aber für mich nicht der beste Film des Genres.

50 Jahre Geisterjäger John Sinclair

So, wie es die schon erwähnten Filme gibt, die mich in meiner Kindheit gruselten und zum für mich wichtigen Thema Horror hinführten, so gab es Klaus. Klaus, Freund seit Sandkastentagen, las John Sinclair, kleine Groschenhefte über einen „Geisterjäger“, der gegen allerlei böse Kreaturen kämpfte. Klaus lieh mir Hefte, die ich verschlang. Nie wieder habe ich in meinem Leben Groschenhefte gelesen, aber bei JS mußte es sein.
Fader Nachgeschmack: viele Hefte gibt es jetzt auch als Kindle-Ausgaben, aber nach kurzem Reinlesen merke ich, die Zeit für „Jason Darks“ Schreibstil ist bei mir vorbei. Zudem schreiben nun auch Ghostwriter unter dem Namen. Also lieber Horror-Klassiker lesen.
Die Online-Zeitung theGermanZ hat einen Artikel über 50 Jahre JS.

Eisblumen – im Lied und im Gedicht

In den 90ern hörte ich intensiver Subway to Sally, heute nicht mehr. Gründe? Ich war damals in einer, sagen wir, Vorreiterrolle in der heidnischen Szene in Deutschland aktiv. Das bin ich heute nicht mehr, und damit höre ich auch etliche der Bands aus dieser Zeit nicht mehr, da die Themen nicht mehr „meine“ sind.

Aber in meiner Playlist ist immer noch das Lied „Eisblumen“, das mir vielleicht auch so gut gefällt, weil, ja weil… ich mal ein Gedicht geschrieben habe für eine Frau, mit der ich eine schwierige Beziehung eingegangen war. Hier zunächst ein kurzer Auszug aus dem Lied „Eisblumen“ (© Subway to Sally), darunter mein Gedicht: Eisblumen – im Lied und im Gedicht weiterlesen

Der Exorzismus der Anneliese M. (Film)

„Der Exorzismus der Anneliese M.“ wurde 2011 von J.G. Prest gedreht. Ich habe ihn auf Amazon Prime gesehen und vergebe *.
(Wikipedia) – Der Text „spoilert“ den Film!

Dies ist ein Film der für Low-Budget-Produktionen bekannten Firma The Asylum, die damit auf den Zug der gerade wieder aktuellen Exorzismus-Filme aufspringen wollte. Solche, Blockbustern nachgestellten Filme werden als „Mockbuster“ bezeichnet. Anneliese: The Exorcist Tapes sei eine Mockbuster-Version von Paranormal Activity 3, was so nicht stimmen kann, da PA3 ein halbes Jahr nach dem hier besprochenen Film veröffentlicht wurde, aber man kann den Begriff ja auch auf andere, viel besser gemachte Exorzismus-Filme beziehen.

Die historische Vorlage ist der echte, tragische Fall der Anneliese Michel aus Klingenberg am Main, die u.a. in der Folge von Unterernährung (und nach Exorzismen) 1976 verstorben ist. Die Eltern und ein Priester (E. Alt) wurden später zu geringen Haftstrafen verurteilt. Der Fall wird nach wie vor kritisch und als abschreckendes Beispiel für den Exorzismus diskutiert. Mehr Infos bei der Wikipedia oder bei Ney-Hellmuth, Petra: Der Fall Anneliese Michel. Kirche, Justiz, Presse (Königshausen & Neumann, 2014).

Gefilmt wird Anneliese im Haus ihrer Eltern, mal im ‚Found-Footage-Style‘, mal mit fest installierter, schwarz-weißer Raumüberwachungskamera. Der Film stellt dies mit auf alt gemachtem Filmmaterial als „Original-Aufnahmen“ von einer „wissenschaftlichen Studie“ aus dem Jahr 1976 dar – nach Tagen strukturiert und mit jeweils einem langatmigen Kameraschwenk pro Tag über handschriftliche Notizen eines Dr. Landers.

Dieser aus den USA eingeflogene Landers stellt mit dem Hausarzt der Familie, Dr. Krüger, die wissenschaftliche Partei dar. Dem gegenüber stehen Pater Renz, der Exorzist, die ihm vertrauenden Eltern, sowie sein Adjutant, der mal als „Kaplan“, mal als Pastor Alt benannt wird. Als dritte Partei fungiert das Kamerateam.

Anneliese soll vor 6 Jahren, also 1970 die ersten epileptischen Anfälle gehabt haben, bei denen sie schrie und fauchte. Sie habe in der Folge begonnen, den Teufel anzurufen. Von 1974 bis 76 soll sie mit Medikamenten behandelt worden sein, doch Priester und Eltern sehen darin keinen Erfolg. Alle drei genannten Parteien halten sich im Haus der Michels auf.  Einzelinterviews in peinlich-naiver Weise werden mit Diskussionsszenen aller Beteiligten vermischt. Ich weiß nicht, wie die englischen Dialoge im Original klingen, aber in der deutschen Version habe ich das Gefühl, einem schlechten Schüler-Theater zuzuschauen. Die Eltern werden als tumbe, gläubige Menschen dargestellt. Alt sagt so etwas wie: „Das ist mein erstes Interview. Sie sind doch vom Fernsehen, oder?“ Und wie der Synchronsprecher des Paters die lateinischen Texte vorliest, ist teilweise grottig.

Alles, was für Exorzismus-Filme üblich ist oder sein kann, haben die Macher in den Topf geworfen: da liegen tote Krähen vor dem Haus, Anneliese spricht flüssig in fremden, ihr nicht bekannten Sprachen; sie will den Kaplan verführen und macht sexuelle Avancen. Durch das Zeigen ihrer nackten Brüste ist gleich noch ein wenig „sex sells“ mit dabei.

Nun nimmt man eine Aufnahme der echten Anneliese Michel und spielt sie immer wieder ab. [Leider ist die A. Michel gewidmete Seite http://www.anneliese-michel.com/Kassetten/kassette.htm nun offline. Man konnte sich dort Tondokumente der Verstorbenen anhören.]

Das nervt auf Dauer. Man hört darin u.a., wie Anneliese sich als Nero bezeichnet. Sie sei „die Dritte im Bunde“. Renz erläutert: Nero, Hitler [kann man sich hier im Original anhören – Achtung, das kann für manche eine verstörende Audio-Aufnahme sein], Satan persönlich.  Die Situation spitzt sich zu; Anneliese verweigert das Essen. Dann erwürgt sie „mal eben“ den Hausarzt, während der Rest der Mannschaft danebensteht, filmt oder weiterhin betet… Sie erzählt einer Frau des Filmteams deren – ihr vorher unbekannten – sexuellen Mißbrauch durch den Vater, woraufhin sich diese umbringt. Hektische Endlos-Diskussionen zwischen Pater Renz und Dr. Landers münden darin, daß die beiden Geistlichen Anneliese zu 600 Kniefällen mit Gebet zwingen wollen – alles immer wieder „untermalt“ von der erwähnten Audio-Aufnahme. Anneliese tötet dann noch den Kameramann und Dr. Landers, doch trotz all der Toten beten die Eltern mit Anneliese kurz vor ihrem Tod ein ruhiges Ave Maria – dann stirbt sie durch „Verhungern“.

Ein Film, der m.E. das Andenken und den Leidensweg der echten Anneliese beschmutzt. Deswegen, und wegen der grottigen Machart von mir eine 5.

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