Zillo Open Air 1998
Wieder einmal wurde die “schwarze Musik” für mich zu einer Art “Befreiungsschlag”, denn die im 2. Teil (1. Teil hier) erwähnte Beziehung mit S. endete glücklicherweise 1997 – und im darauffolgenden Sommer 1998 stand ich auf dem Hildesheimer Flugplatz beim Zillo Open Air. Als Secret Discovery mit “Hello Goodbye” (“Hello, I’m gonna leave you, I want to say goodbye to you”) das Festival eröffneten und mir die Bässe durch den Bauch dröhnten, wußte ich wieder, wo ich “hingehörte”. (Das klingt so lakonisch hingeschrieben, aber wenn ich daran zurückdenke, kommen die Emotionen wieder hoch, ich bekomme Gänsehaut, als sei es gestern gewesen. Es ist meine Musik, über die Jahrzehnte, immer wieder der Soundtrack meines Lebens, besonders in schwereren Zeiten (?).)
Das 1998er Zillo Festival hatte eine selten gute Band-Zusammenstellung. Gleich mehrere meiner damaligen Lieblingsbands spielten: VNV Nation, Funker Vogt, Lacrimosa,Wolfsheim, London after Midnight. Gut fand ich aber auch (die schon erwähnten) Secret Discovery, Theatre of Tragedy, The Cure (ich finde, nicht wirklich ein Festival Act, besser in kleinerer Halle), In Strict Confidence, Illuminate, Dreadful Shadows, Dance or Die, Catastrophe Ballet, Clan of Xymox, Love like Blood.
VNV Nation hatten mich mit ihrem Album “Praise the Fallen” total überrascht: diesen “Future Pop” mochte ich in der Mischung aus pompösem Electro-Sound und tiefgehenen Texten. Und wenn ich heute schaue, wen die Wikipedia unter Future Pop listet, dann sind da etliche Bands, die ich sehr mag, z.B. Angels & Agony, Colony 5, Covenant, Frozen Plasma. Mit “hartem” Electro kann/konnte ich wenig anfangen.
de.soc.subkultur.gothic
In der Folge befaßte ich mich wieder intensiver mit der Musik / Szene und wurde als alter Usenet-Nutzer Stammschreiber in de.soc.subkultur.gothic mit Nick rush–> (hier schon erwähnt). Ich traf mich mit den Leuten aus der Newsgroup (“Gotisches Grillen” bei Frankfurt, Grillabend am Düsseldorfer Rheinufer (die unschönen Erinnerungen dazu)), besuchte Zwischenfall in Bochum oder Stahlwerk in Düsseldorf.
Hier fand sich im Entwurf des Artikel etwas über schwarze Kleidung, das ich neu formuliert habe: Schwarz habe ich vor allem in den 90ern und frühen 2000ern getragen, also im Grunde schwarze Jeans + T-Shirt. Äußerlichkeiten machen einen aber nicht zum Goth. Wer meint, es bedarf zum Besuch eines Festivals eines “krassen Kostüms”, der liegt – für meine Person – falsch. Schwarz ist ein Lebensgefühl, das auch in blauer Jeans mit gelbem T-Shirt verpackt sein kann. Im übrigen wird man “Grufti” mit zunehmendem Alter ganz von selbst … 😂
WGT 99/2000, 1. M’era Luna
Ich muß gestehen, daß mir das Wave Gotik Treffen in Leipzig nicht so gut gefallen hat. Ich bin eher der Festival-Typ, der einen großen freien Platz mit Bühne und einen etwas größeren freien Platz zum Zelten mag. Hildesheim ist da ideal. Von daher war ich nur 1999 und 2000 beim WGT. Dennoch seien an guten Live-Auftritten aus diesen Jahren erwähnt:
Umbra et Imago (mit BDSM-light Show), In Extremo, HIM, Joachim Witt (mit dem ‘Goldenen Reiter’ zum Abschluß, nachdem das Publikum das immer wieder forderte), Secret Discovery, Sex Gang Children, Skyclad, Liv Kristine, Nightwish, The Creatures (Nebenprojekt von Siouxsie Sioux).
1999 war ‘festival-technisch’ meine schönste Zeit. Neben dem WGT stand noch das letzte, in Hildesheim stattfindende Zillo-Festival auf dem Programm und dann das tolle Dependent Festival im Düsseldorfer Stahlwerk mit Covenant, VNV Nation (geniales Konzert; für mich nur noch getoppt vom 2002er M’era-Luna-Auftritt), Suicide Commando u.a.
Beim 99er Zillo-Festival gefielen mir die Auftritte von Mesh, Kirlian Camera, Apoptygma Berzerk, Deine Lakaien, HIM, L’Âme Immortelle, Covenant, Terminal Choice, Melotron, The Eternal Afflict, Die Untoten. Beim Mesh-Konzert tanzte ich non-stop mit einem anderen Schreiberling aus de.soc.subkultur.gothic – z.T. mit Regenschirmen “bewaffnet” für die Erhöhung der Ausdruckskraft des Tanzes. Herrliches Erlebnis… 🤣
(Manchmal kommt da so eine Wehmut durch. Sind die ‘verrückten Jahre’ vorbei?)
Im Jahre 2000 wurde nach Veranstalter-Querelen aus dem Zillo-Festival in Hildesheim das M’era-Luna-Festival von Scorpio Concerts. Nachteil: Es fanden sich in der Folge zum wiederholten Male die Bands auf der Liste, die einen Vertrag mit Scorpio hatten. Vorteil: Die Festivals waren professioneller organisiert und haben sich in der Folge fest in der Festival-Welt etabliert. Im damaligen “Premiere-Jahr” dieses Festivals gefielen mir besonders: VNV Nation, L’Âme Immortelle, Velvet Acid Christ, Funker Vogt, Oomph!, The Sisters of Mercy, The Mission, Marc Almond.
Das 2001er Zillo Festival in Losheim am See, das letzte Zillo-Festival, das ich besuchte, brachte für mich wieder einen absoluten Höhepunkt: The Crüxshadows auf ihrer ersten Deutschland-Tournee. Nach dem Konzert ging ich zu Rogue und sagte ihm, daß ich so begeistert sei, ich könne es kaum ausdrücken. Er schüttelte meine Hand und bedankte sich fast ein wenig verschämt. Die Band hatte extra eine CD “Intercontinental Drift” im Gepäck für den Sprung über den Atlantik nach Osten, darauf auch die deutsche Version von Deception – Täuschung.
Genial dann auch die 2004er und 2006er Konzerte dieser Truppe in der Krefelder Kufa, die ich mit einem Freund besuchte. Winterborn, das ist eine Hymne … oder Marilyn – My Bitterness 2.0 oder Go Away…
Ebenso in guter Erinnerung vom Zillo 2001: VNV Nation (klar), L’Âme Immortelle, Diary of Dreams, Clan of Xymox, Unheilig, The 69 Eyes, In Extremo.
(Nebenbei: meine Frau war mit unserem ersten Sohn schwanger und wollte einen Klappstuhl mit aufs Gelände nehmen, was die Security strikt ablehnte. Erst nach langen Diskussionen konnte eine Frau der Security ‘beim Chef’ erreichen, daß das OK ist mit dem Stuhl.)
Ach so, in der “Szene” findet man z.B. Lacrimosa oder Illuminate gelegentlich “uncool” (Lackiermichrosa <hähä>), woran sich mal wieder zeigt, wie kurzsichtig Menschen manchmal werden können, wenn sie sich in ihrer Welt einrichten und das ausklammern, was anscheinend “so gar nicht paßt” (umgekehrt aber für das eigene unkonventionelle Auftreten Toleranz einfordern). Gerade Illuminates “Der Traum des Tänzers” ist ein Lied, das mein Leben sehr bereichert hat, ebenso möchte ich Lacrimosas “Alles Lüge” und “Stolzes Herz” nicht mehr missen. Was Tilo und Anne da machen, das hat schon eine ganz eigene Qualität, an die die x-ten Front-242-Epigonen nicht rankommen. (Auch wenn mir die frühen Alben nach wie vor am besten gefallen. Anspieltip: Der letzte Hilfeschrei)
So sind es nur drei Jahre, die ich in diesem Artikel beschreibe – 1998/2001, aber sie waren mit die schönsten und intensivsten für mich. Durch die erwähnte Schwangerschaft sollten sich die Zeiten dann für unsere – dann – Familie gründlich ändern. Rush out.
[4. Teil]
3 Gedanken zu „Persönliche Musikgeschichte, Teil 3“