Persönliche Musikgeschichte, Teil 2

Rock Goth Time

Nach der Punk Goth time folgt im Schema von Mick Mercer (s. Teil 1 dieser Reihe) die Rock Goth Time (Mitt-80er bis Mitt-90er [ich hätte jetzt “Ende der 80er” gesagt]). Gitarrenlastige Bands dominierten, wie die Sisters of Mercy, The Mission oder auch die Fields of the Nephilim.
(Andererseits war Synthie-Pop-Musik z.B. mit Alphaville im Mainstream angekommen.) Mercer kritisiert an dieser Epoche v.a. die Gleichheit des Gitarren-Sounds. Da ist was dran: Selbst heute gibt es noch etliche Gruppen, die diesen Sound imitieren, ohne daß es zu einer Weiterentwicklung kommt.

Ich kam, wie geschildert, quasi direkt von der ersten Phase der “Londoner Bands” (wie Adam and the Ants, Stichwort: New Romantics) zur ‘Rock Goth Zeit’ mit Sisters und Co. – auch heute noch höre ich wenig Musik aus der sogenannten “Punk Goth time”, auch wenn es immer wieder eine schöne “Sound-Expedition” ist, bewußt in diesem Genre zu suchen und sich überraschen zu lassen.

Und … ich hatte tatsächlich noch nie von einer Band mit dem Namen The Cure gehört.

Nun gut, wir können The Cure nicht auslassen. 🤨 Ich lernte also relativ spät eine Band kennen, die so neu gar nicht mehr war. Obwohl Mercer meint, sie seien nie eine echte Gothic-Band gewesen, so waren sie doch für viele Menschen der erste Berührungspunkt mit Gothic-Musik und -Lifestyle, z.B. für meine damalige Freundin S., die ihrer Mutter – analog zu “Non Stop Erotic Cabaret” bei meiner – erstmal erklären mußte, warum sie eine “Pornography” betitelte Schallplatte kaufte. (Thema “erster Berührungspunkt”: heute sind (waren) das vielleicht Unheilig, Blutengel, Mono Inc.)

Für Klaus Farin (Die Gothics, (Verlag Thomas Tilsner, 2001)) stellt es sich so dar, daß eher die jüngeren Leute auf The Cure standen (und evtl. darüber in die “Szene” kamen), wohingegen die schon älteren Semester z.B. Christian Death oder Bauhaus mochten, also vielleicht etwas “sperrigere”, punkigere, ältere Bands, obwohl man sicher nicht sagen kann, daß alles von The Cure ‘leichte Kost’ ist. Für mich waren The Cure eine Art “Befreiungsmusik” nach dem Ende einer Beziehung, die mir sehr viel bedeutet hatte (1990). 1992 sah ich Robert und seine Mannen dann live auf der Wish Tour. Aber: The Cure waren und blieben für mich ein Sprungbrett. Heute habe ich nur noch Pictures of You und A Forest in meiner Playlist – und Disintegration höre ich einmal im Jahr, meist im Herbst.

Dark Wave / Zillo

Neben dem schon genannten Goth(ic) Rock sah man in The Cure die Vertreter einer mit elektronischen Klängen unterlegten Dark-Wave-Musik. Eine ganze Weile tendierte man dazu, jede “dunkle” Band entweder eher dem Gothic Rock oder dem Dark Wave zuzurechnen, bis das durch immer mehr externe Einflüsse, v.a. in den späten 90ern, kaum noch möglich war.

Über diese Entwicklungen informierte mich das Szenemagazin Zillo, da ich in der “Indie-Diaspora” kaum anders an Neuigkeiten kommen konnte. Im Sommer 91 arbeitete ich als Aushilfe in der Industrie an einer Maschine, die mir immer 10 Minuten Arbeit ohne Pause vorgab, dann waren knapp 10 Minuten Pause. Hier lag immer das Zillo bereit; ich studierte das Heft von der ersten bis zur letzten Seite, speziell die Rezensionen, und hatte mir angewöhnt, pro Zillo-Ausgabe mindestens ein Album auf der Basis der Rezensionen zu kaufen. Ich glaube, das Erste war 1991 “Earth Inferno” von den Fields.

Ich habe eifrig gesammelt, und 2006 besaß ich tatsächlich alle Zillo-Hefte von der ersten großformatigen Ausgabe 1990 (Bild s.o.) bis 2006. Manchmal ärgere ich mich noch über den späteren Verkauf dieser großen Sammlung… Weiterhin habe ich die digitale Version der Hefte von 1989 bis 2004, gab es seinerzeit auf CD. Und ein paar Einzel-Hefte habe ich behalten: die erwähnte Januarausgabe 90, dann 5 / 10 / 15 / 20 Jahre Zillo sowie 175. und 200. Jubiläumsausgaben. Ab und an schaue ich rein, aber wenn dann die “Sehnsucht nach früher” hochkommt, lege ich das Heft wieder weg. Diese “Szene” ist irgendwie unwiederbringlich weg.

Was ich hier skizziert habe, ist in der Wikipedia weit ausführlicher beschrieben, s. z.B. den Dark-Wave-Artikel mit den Verweisen zu den Unterstilen.

Bizarre

Bizarre Festival 1991 u. Berlin Bizarre

Für mich ging es aber ein wenig anders weiter, eher im allgemeinen Independent-/Alternativ-Bereich, speziell mit den sogenannten Bizarre Festivals, damals das Festival der alternative music in Deutschland.
1991 spielten in Gießen z.B. Cassandra Complex, Bad Religion, Danzig, Pixies, Escape with Romeo, Immaculate fools, Rausch, Lush, Jesus Jones, Iggy Pop, New Model Army (also aus heutiger Sicht weniger “dunkle Musik”).
Im selben Jahr sahen wir in Ostberlin nochmal Fehlfarben, Iggy Pop, Plan B und die Ramones; später dann meine ‘neuen Lieblinge’, Rausch, in Trier – und es wurde auf den Konzerten eifrig diskutiert, ob “Suicide” denn tatsächlich “allright” ist.
1992 standen beim Bizarre in Alsdorf bei Aachen ähnliche Bands auf dem Programm (The Pogues, Ramones, Carter USM, Ned’s Atomic Dustbin, Slowdive, Blur, EMF …).

Zu dieser Zeit hörte ich auch ganz viel Joy Division, The Velvet Underground (Venus in Furs) und die Doors, ja, ich “mußte” natürlich auch mal zu Jims Grab in Paris fahren, auf den Friedhof Père Lachaise. Gerade diese Bands gelten im Grunde auch als Urväter der späteren Gothic-Musik – neulich noch gelesen: The Doors als tatsächlich erste Gothic-Band; die Quelle weiß ich nicht mehr.
In dieser Zeit, den frühen 90ern, war ich regelmäßig in den Koblenzer Discos (New) Dreams und Logo unterwegs.

1993 war ich zum ersten Mal im Tanzbrunnen in Köln, wo aktuell jeden Juli das Amphi-Festival stattfindet. Damals nannte sich die Veranstaltung “Pop Komm”, es spielten u.a. Miranda Sex Garden, Rausch, Phillip Boa and the Voodoo-Club, New Model Army.

Bizarre Festival 1992

Doch Mitte der 90er war mein Interesse an Musik generell und erstmalig seit vielen Jahren gering. Zum Teil hatte das mit dem Thema Computer / Computerspiele zu tun, worin ich viel Zeit “versenkte”. Und das, obwohl ich in Düsseldorf lebte und damit eher am “Puls der Zeit” als in meiner Heimatregion bei Koblenz.

Ich lebte in einer Beziehung, die sich immer mehr zur Sackgasse entwickelte – und als ich 1996 die massiven technischen Probleme beim Qntal-/Deine-Lakaien-Auftritt in Köln erleben ‘durfte’, spiegelte das gleich auch den Beziehungsstatus mit der neben mir stehenden S. Auch beruflich war das eine Zeit, auf die ich nur ungern zurückschaue. Desillusionierung könnte als Leitbegriff dienen, dazu eine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung gegen das “Land Nordrhein-Westfalen”.

Crossover / Goth Metal

In den Mitt-90ern begann mit der auch ganz andere Musikkulturen erfassenden Crossover-Welle der Aufstieg des Goth Metal, man denke an Type-o-Negative, Theatre of Tragedy, Therion usw. Es gibt vom Sonic Seducer ein Sonderheft “15 Jahre Goth-Metal”. Schon etwas früher hatte man das ‘Gothic’-Label auch auf elektronische Bands wie z.B. Front 242 oder Covenant (“Electronic Body Music – EBM”) ausgedehnt. Doch andere Leute meinten, die Elektro-Szene gehöre gerade nicht zur Gothic-Szene, sie sei etwas eigenständiges (da ist was dran). In der zweiten Hälfte der 90er kam ein weiterer, mächtiger Einfluß hinzu, nämlich der aus der Mittelalter-Ecke. Hier habe ich z.B. den fulminanten Auftritt von In Extremo beim 1999er Wave-Gotik-Treffen in Erinnerung. Dieses mittlerweile etablierte Festival startete 1992 mit gerade mal 10 Bands (zwischenzeitlich hat sich die Künstleranzahl auf ca. 200 eingependelt).

Die Szene um 2000

Hier eine im Netz gefundene Grafik, zu der ich leider keine Quelle angeben kann. Sie zeigt, was man alles, wenn man wollte (!), so um 2000, würde ich sagen, unter “Schwarze Szene” subsumieren konnte. Metal/Medieval/BDSM-Fetisch kamen in den 90ern dazu, Neofolk war ein Kind der 80er.

Auf der Basis dieser Grafik verorte ich mich bei Gothic, Dark Wave, Elektro, wobei wir heute letzteren Begriff auftrennen sollten in so eine “harsh Electro”- und Synthie-Pop-Ecke (mit Zwischentönen).

Weiter geht’s im dritten Teil mit dem Zillo-Festival 1998. Rush out.

4 Gedanken zu „Persönliche Musikgeschichte, Teil 2“

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