Das Netz redet über Ronald Malfi (Website). Ich las irgendwo, er werde als der „moderne Algernon Blackwood“ bezeichnet (ich liebe Blackwood) und als „old school horror writer“. Gefällt mir. Für die Booktuberin Anda Kent ist er aktuell der Lieblingsautor. Bald wird sie sein neuestes Werk, Small Town Horror, in einem Video vorstellen. Zwischenzeitlich hat sie alle bisher gelesenen Malfi-Romane „geranked“ – mit diesem hier an der Spitze.
Ich habe mir Come with me im letzten Jahr gekauft, aber letztlich hier (noch) nicht rezensiert, weil das Buch vor allem Krimi ist und ich üblicherweise keine Krimis lese, weil mich das Genre so gar nicht reizt. Trotzdem hier nun eine kurze Besprechung des Buches, das ich – against all odds – doch sehr gemocht habe. (Im weiteren spoilere ich das Grundgerüst der Geschichte, aber nicht das konkrete Ende.)
Malfi läßt sich für die Background-Story etwas Zeit, aber das ist eigentlich schnell erzählt: Aaron Deckers Frau Allison wird Opfer eines Amoklaufs. Decker lebt fortan allein, trauernd – findet dann aber eine Motel-Rechnung in den Unterlagen seiner Frau. Das ist der Beginn einer Suche, denn während er auf einer dienstlichen Reise war, übernachtete sie offenbar zwei Tage in einem gut fünf Autostunden entfernten Motel. Warum und mit wem?
Decker bezeichnet die Suche als „haunting“, weil sich die weiteren Details nur schrittweise offenbaren, aber auch da sich schon vor dem plötzlichen Tod Allisons eine Wand zwischen die Eheleute geschoben hatte: er glaubte, sie verheimliche etwas vor ihm; sie reagierte auf Fragen ausweichend. Überhaupt war Allison wohl eine sehr starke oder tiefe Persönlichkeit – ihr Witwer spricht von „darkness of depth“, aber auch, daß sie eine „predatory aura“ gehabt habe.
Minimal kommt nun ein paranormales Element hinzu: Aaron spürt eine „presence“ im Haus. Das kann ein Hauch von Allisons Lieblingsparfum sein, ein Gesichtsabdruck auf dem beschlagenen Badezimmerspiegel, das Licht im Bad, das plötzlich angeht. Aaron schiebt das zunächst auf die Trauer: „I was loosing my mind without you, Allison. Because that’s what grief does. It robs us of a part of ourselves, leaving a crater of madness and irrationality in its place.“
Am Zitat sieht man es: Der Roman ist fast durchgängig als Brief an Allison geschrieben, was mir als Stilmittel sehr gut gefallen hat. Diese Trauer fühlt Aaron so, daß sein Ich aufgespalten wird in den noch normal funktionierenden „Other-Aaron“, während der „real-life Aaron“ zu einem trauernden Phantom wird. Auch sehr schön in der flüssigen Sprache Malfis beschrieben.
Ab hier ist der weitere Roman Beschreibung von Aarons Suche nach dem, was seine Frau a) hinter seinem Rücken getan und b) vor ihm verheimlicht hatte. Natürlich stand an erster Stelle die Vermutung des Fremdgehens.
Malfi beschreibt nun ausführlich jeden Schritt, den Aaron auf dem Weg seiner „Ermittlungen“ geht, also zuerst im Nahbereich (Allisons Boß, ihre beste Freundin), dann weitet er die Suche aus, indem er zum besagten Motel fährt. Ich mag es, wenn ein Autor Andeutungen hinterläßt, die man sich als Leser merken (oder später nachschlagen) muß. Während die Frau des Motel-Besitzers Allisons Übernachtungen bestätigt, beschreibt Malfi ihren Mann so: „The man’s mouth tightened to a firm, lipless line. The shake of his head was almost imperceptible.“
Ich will das weitere Vorgehen nun abkürzen und nicht jeden Schritt erzählen. Aus dem Fund eines Notizbuches, eines Revolvers in der privaten Box seiner Frau erkennt Aaron, daß sie hinter seinem Rücken seit Jahren auf einer privaten Mission war: sie suchte offenbar nach einem Serienkiller, also abseits der polizeilichen Ermittlungen, der blonde Teenager immer auf die gleiche Art und Weise ermordete.
Der Roman ist wie ein Road Movie, da Aaron sich aufmacht, um mit den Personen zu sprechen, die zu den Mordfällen in Allisons Notizen hinterlegt sind. Vielleicht ist das ein Aspekt, weswegen ich den Roman mag.
Wie es in einem Krimi passieren muß, kommt eine falsche Fährte, ein falscher Verdächtiger, eine ganz heiße Spur, ein weiterer Mann, der nicht der Täter ist. Erneut deutet Aaron das plötzlich im Arbeitszimmer brennende Licht als Zeichen von Allison, die ihn so auf ihr High-School-Jahrbuch hinweisen will.
Jetzt folgt der intensivste Teil der Suche, bei der Aaron vom Ex-Polizisten Sloane unterstützt wird. Auch Allisons Schwester Carol ist nicht, wie von ihr erzählt, in jungen Jahren ertrunken. Doch der Hausmeister, der im Jahrbuch abgebildet ist, und der Allisons Hauptverdächtigter war, ist eine weitere kalte Spur. Dafür findet sich Sloanes Bild im Jahrbuch… Malfi schafft es, den Roman spannend zu halten – und das nicht auf plumpe Art und Weise.
Um Lesern, die bis hier gekommen sind, noch etwas Spannung beim „Selberlesen“ zu erhalten: Ja, der Mörder ist auch im Jahrbuch – und Aaron findet und konfrontiert ihn – ein spannungsreiches Ende mit dem einen oder anderen Twist.
Letztlich ist es vor allem die Kombination aus Road Movie, Background Story und den paranormalen Elementen, die sich nicht nur gut in die Geschichte einfügen, sondern sie auch weiterführen, die den Roman für mich zu einem Lesegenuß gemacht haben. Nachdem ich gerade einen zehn Jahre älteren Roman Malfis gelesen habe, meine ich auch sagen zu können: sein Schreibstil hat sich deutlich entwickelt.
Nebenbei: der Roman basiert auf Malfis Verlust einer Freundin durch einen Amoklauf.
Ein Gedanke zu „Malfi – Come with me (Roman)“