Samstag

Dann wieder mit dem Auto zum Festival-Gelände. Wir konnten später erkennen, daß der Tagesparkplatz etwas erweitert worden war, aber es war ja definitiv genug Fläche vorhanden.
Gemütlich zur Bühne geschlendert, wo gerade Atomic Neon mit eher klassischem Rock aufspielten.

Corri May sprach G. an, die sie vom Amphi wiederkannt hat, da sie vor uns in der ersten Reihe beim Henric-de-la-Cour-Konzert stand. Wir unterhielten uns über Festival-Vorlieben, Bands und Tourneen. Ach, Kite kommen jetzt auf Tour?! Habe ich gar nicht mitbekommen. Wegen Ticket können wir aber erst schauen, wenn die nächsten zwei Wochen überstanden sind. G. ist Fan im Turbo-Modus: die begleitet alle 9 (?) Kite-Konzerte quer durch die Republik und Dänemark…
Bei Devil M nahmen wir wieder „Auszeit“, aber wir nutzen das, um gemütlich mit einer Dreier-Gruppe über Musik und Szene zu philosophieren. Wieder einmal fiel mir auf, daß hier schon etliche „Hardcore“-Schwarze sind, die seit Jahrzehnten auf mehreren Festivals pro Jahr unterwegs sind. Diese Gruppe werde ich beim Cold Hearted Festival in Bochum wiedertreffen.
Vielleicht flechte ich diese Anmerkung hier bei Lament ein: das musikalische Spektrum dieses kleinen Festivals war mehr als breit gestreut – das auch der dominierende Eindruck bei Corri May. Vom Doom Metal bis eben zum Alternative Rock, den Lament nun präsentierten, vom elektronischen Sound-Teppich zu „Krach&Schreien“[tm] war alles dabei. Lament waren nicht mein Ding, obwohl die Musik eingängig war. Es ist oft das Gesamtbild, also Musik, Darbietung, die Musiker, Sänger, die Beherrschung der Instrumente usw. Bei Lament fand ich den Sänger „schräg“. Ist es Erkennungszeichen, daß Liedtitel gestottert angesagt werden?

Essensrunde, dann Umbra et Imago. Sound gut – ich mag die Musik.
Größter Kritikpunkt: die z.T. vier Sängerinnen und Sänger (Mozart, Bennie (?), zwei Sängerinnen) hatten große Probleme mit dem sauberen Intonieren gemeinsamer Passagen. Das war manchmal suboptimal. Schlecht auch für die Vermarktungsabsicht: wenn ich das richtig verstanden habe, machte Mozart für ein „Dokument“ Werbung (er sei auf „Butterfahrt“), das man nun für 28€ kaufen konnte, so daß man Ende des Jahres den Konzertfilm herunterladen könne. Ob das Anklang gefunden hat?

Mozart ist… – wie schreibe ich das? Er ist Urgestein, aber was er auf der Bühne sagt, sind oft entweder Platitüden oder Peinlichkeiten, so wenn er mehrfach erklärt, das wäre jetzt hier so geil, er würde am liebsten masturbieren. Laß mal, Cheffe. Würde ich mehr U&I hören, wäre das möglicherweise nicht so ein Problem. Wem das jetzt zu negativ klingt: Sie sind halt doch die Ur-Grufties der deutschen Szene. Dann darf man zur Not auf der Bühne masturbieren.

Da ich meinen Gehörschutz vergessen hatte, knetete die Musik mich von oben bis unten durch. Wie ich es liebe, dieses Gefühl, die Musik übernimmt deinen Körper – blendet Gedanken und Zweifel aus, läßt dich einfach im Rhythmus mit- und erleben.
(Nebenbei: auch eine Frau vom Merchandise-Shop meinte, die Herren Kite seien doch sehr einsilbig. Sie habe nicht gewußt, was sie für die T-Shirts nehmen solle. Nicklas habe dann etwas genuschelt: Manager fragen – er wisse das nicht… 😊)

Am Sonntag war die Rückfahrt dann nicht so entspannt: Staus und stockender Verkehr haben unsere eigentlich Fahrtzeit um anderthalb Stunden aufgeblasen.
Zuhause Auto aus- und Sachen wegräumen – und Clouds hören.
Fazit
Wenn ich überlege, wie ich das jetzt zusammenfassen soll, dann steht da als erstes der Begriff „Familientreffen“ in meinen Gedanken. Kleines Setting, perfekt organisiert, gerade anderthalbtausend Leute. Großzügige Camp-Area, professionelles Dusch- und Toilettenangebot (gegen Aufpreis), genügend Tagesparkplätze. Bei mehr Andrang würde es m.E. als erstes beim Entenfang-Essensstand eng: da gab es auch jetzt schon ab und an eine Schlange (und diese Leute, die sehen, daß zwei Personen bedienen, sich aber zu zehnt bei einer anstellen).
Gerade bei den Sitzmöglichkeiten im Eingangsbereich unter den Bäumen hatte ich abends mit Lichterkettenbeleuchtung das Gefühl, in einer anderen, romantischeren Welt zu sein.
Gerade bei den Sitzmöglichkeiten im Eingangsbereich unter den Bäumen hatte ich abends mit Lichterkettenbeleuchtung das Gefühl, in einer anderen, romantischeren Welt zu sein.
Der Organisator Thomas Richter mischte sich immer wieder mit Frau und Tochter unter die Besucher. Die Feuerwehr kam zur Abkühlung mit einem Wagen vorbei – es waren drei heiße, trockene Tage.

Es war tatsächlich ein so homogen schwarzer visueller Eindruck, wie ich ihn lange nicht erlebt habe. Aber – auch wieder sooo typisch: Bei den Bildern der Leipziger Zeitung waren doch wieder die optisch herausragenden Personen zu sehen.
Dann tut es gut, jenseits der durchorganisierten Kommerzfestivals mit ihrer rigorosen Security, den ellenlangen Do/Don’t-Listen, den etlichen Bühnen dieses Kleinod zu finden, wo man oft das Gefühl hat, die Zeit wurde einfach auf „slow motion“ gestellt.
Gleichzeitig haben wir aus Gesprächen erfahren, wie belastend die Organisation eines großen Festivals (In Flammen) und dieses zusätzlichen (einen Monat später) für Familie Richter und die ehrenamtlicher Helfer ist. Die große Basis liegt örtlich beim Areal des Entenfangs und dem passenden Zelt- und Veranstaltungsgelände, aber personell bei der Vision Richters und seiner Fähigkeit, Menschen zur Mitarbeit zu motivieren. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die Festival-Helfer alle ehrenamtlich tätig, während die Leute in den Entenfang-Ständen bezahlt werden.
Für mich waren diese Tage wirklich ein „back-to-the-roots“-Erlebnis, gerade auch in einer etwas schwierigeren (persönlichen) Zeit. Ich war gedanklich nicht immer 100% vor Ort. Für uns ist ganz klar: wenn es irgendwie geht, wollen wir nächstes Jahr im Van wiederkommen. Das Motto dazu stand auf einem T-Shirt eines Besuchers: „Untergrund lebenslang | Lebenslang Untergrund“. 😂 Rush out.
Toller Bericht! Umbra et Imago habe ich 1:1 genauso wahrgenommen und Kite waren für mich auch eine positive Offenbarung (wobei ich mich über die kurze Spielzeit sehr gewundert habe)
Hey Dirk, danke für deinen Kommentar! Kite haben sich seit den ersten Songs sehr verändert: früher eher melodischer, eingängiger, heute eher druckvoller und passend zu der Show.