Amphi Festival 2024 – Bericht

Amphi! Trotz ADAC-Ankündigung zum „schlimmsten Stauwochenende“ des Sommers fuhren wir in knapp einer Stunde ohne Verzögerung zum RTL-Parkhaus. Das ist schon gut gelöst: das Parkhaus direkt gegenüber dem Tanzbrunnen für „faire“ 10€/d. Also Auto abstellen und rüber zum Tausch der Wochenendkarten gegen die Bändchen. Hmm, keine Schlange wie im Vorjahr – alles entspannt, ein Gefühl, das das Wochenende durchzog. Es ist von 12500 Besuchern die Rede – und ich meinte, spüren zu können, daß es nicht so voll wie in den Vorjahren war.

Manntra

Alienare waren ein kraftvoller, gut gewählter Opener für das Festival. Wir saßen mit unserem „Frühstück“ auf der Plattform im künstlichen  Teich und unterhielten uns mit einem Paar aus Bremen, das uns das Out-of-Line-Festival in Berlin empfahl. Etwas irritiert nahmen wir zur Kenntnis, daß bei Festival-Start geschätzt 50% der Getränke- und „Freßbuden“ geschlossen waren. Belegte Brötchen gab es nur am Kaffee-Mobil – mit langer Schlange.
Für Manntra gingen wir vor die Bühne. Melodischer Rock und ein Surf-Abenteuer über den Köpfen der Menge. Kann man sich gut ansehen und -hören.

Blackbook

Dann zu unserem ersten Highlight des Tages ins Theater: Blackbook. Gespräch mit einer Vierer-Gruppe aus dem Raum Gießen, die mit der Band bereits ein Konzert organisiert hatte, und zu einem anderen mit dem Zug in die Schweiz „gepilgert“ war. Gut vorbereitet („angefixt“) erlebten wir ein herrliches Konzert unter dem Motto „Radio Strange“. Hängengeblieben ist z.B. der Song „Slowlove“. Wieder einmal eine Band ganz neu entdeckt – ist das nicht der Reiz, den solche Festivals für uns ausmachen?

Principe Valiente

„Here comes the rain again“… Beim Verlassen des Theaters (nervigerweise nur in Richtung Main Stage möglich) sahen wir, daß es in Strömen regnete. Also Regenjacken an und auf zum Rheinschiff, wo wir mit einem Einlaß-Stop konfrontiert waren: „das Boot ist voll“. Warten im Regen, Witze – man nimmt es locker. Endlich auf dem Schiff, konnten wir noch gut eine Viertelstunde von A Projection sehen und hören – zu kurz für einen genaueren Eindruck. Gekommen sind wir wegen Principe Valiente, einem schwedischen Duo. Die Band kam sehr experimentell rüber, oft etwas an The Cure erinnernd mit einem „shoegaze“-Einfluß – und ich merkte, wie Corri-May mit den Hufen scharrte: gar nicht ihre Musik…

Project Pitchfork

Also früher als geplant zurück zur Main Stage, wo uns dann zwei „Szene-Kracher“ hintereinander zeigten, warum wir eigentlich zu solchen Events fahren: Diary of Dreams und Project Pitchfork. Manchmal ist das komisch: ich würde mich nicht als „Fan“ von DoD bezeichnen (3 oder 4 Lieder in meinen Playlists), aber sobald die Musik zu hören ist, bin ich im Fanboy-Mode. „The Fatalist“ kannte ich tatsächlich gar nicht, und so überraschte mich Adrian mit der Textzeile: „You flood my dreams with what I‘m scared of“. Gut, Versprechen: ich höre mich tiefer in deine Musik rein!

Project Pitchfork

Danach Herr Spilles in Bestform und ein Publikum, das mitging: toll! Und ja, die zwei Schlagzeuge erinnern mich immer wieder an Adam & the Ants in der Frühzeit. Hängengeblieben ist eine Textzeile à la: „It’s a time to live, not a time to die.“ Aus welchem Song ist die? Bitte ➡ Kommentar.

Then Comes Silence

Zum Abschluß des Samstags ging’s zurück zur Orbit Stage, wo Then Comes Silence als Headliner abschlossen. Seit 2012 liefern sie guten Post-Punk / Goth Rock – das ist der Sound, den ich wieder ÖFTER auf solchen Festivals hören möchte.

Rückblick auf den Samstag: Stände spät auf und dann bei den Haupt-Getränkeständen nur Kölsch, kein Pils?! Fuck it. Heineken und Bitburger im Biergarten, Radeberger auf dem Schiff – danke.
Wieder einmal: der Sound im Theater und auf der Schiffsbühne problematisch, um es vorsichtig auszudrücken. Bei Blackbook gnadenlos schlecht ausgesteuert, auf dem Schiff scheppernde Bässe und keiner schien etwas zu merken?! Zum Teil war der Sound auf dem Schiff nur in der ersten Etage erträglich – gut für die Dauersitzer…

Biergarten

Hinzunahme des Biergartens (Rheinterassen) sehr gut! Wir haben den Bereich nie überfüllt erlebt, und der Übergang zur Theater Stage ist sehr gut. Bitte 2025 auch wieder! Daß man nach einem Auftritt die Theater Stage nur Richtung Hauptgelände verlassen konnte, mag dem Sicherheitskonzept geschuldet sein, aber es NERVT. Denn am Eingang sind Stände, die eben nicht dauernd überlastet sind…

Was dann noch nervte: Shirts (Amphi-Merch) in üblichen Größen bereits am Samstag gegen 16 Uhr ausverkauft. Welcher Honk ist da fürs Merchandising verantwortlich? Da gibt es Knete zu machen, Leute, – und ihr produziert zu wenig – oder verknappt künstlich.

Heimfahrt gegen 23 Uhr – ja, OK, aber suboptimal, weil sie das Festival-Feeling bricht. Wir hatten das so entschieden, weil das Hyatt mittlerweile exorbitante Preise hat – und wir nach 12 Stunden Festival nicht mehr zum Spaziergang aufs linke Rheinufer aufbrechen. Trotzdem: ruhige, verregnete Fahrt und schnell ab ins Bett. [Wir hatten auch keine Hotel-Reservierung wegen des späten Entschlusses, zum Amphi zu fahren.]

Am Sonntagmorgen wieder nach Köln – diesmal ohne Regensachen… Nun gut, reden wir über Ciwanas Industrial Dance Project. Ich habe Ciwanas YT-Kanal seit etlichen Jahren abonniert. Ihr Projekt, das sie in den Vorjahren vor dem RTL-Gebäude privat aufgezogen hatte, wurde nun von der Amphi-Orga auf ein neues Niveau gehoben: anderthalb Stunden für sie und ihre Mitstreiter im Theater. Wie formuliere ich das jetzt? Cybergoth ist auf dem absterbenden Ast. Ich habe, wenn es hochkommt, vier oder fünf Personen im entsprechenden Outfit gesehen. Ok… Sagen wir mal so: nichts gegen Ciwana und ihr Engagement, aber einem Partikular-Interesse 1,5 Stunden Theater Stage zu geben, ist schon eine grenzwertige Entscheidung der Organisatoren, die ich – ehrlich gesagt – nicht teile. Das Amphi steht dafür, alle Bereiche/Interessen zu bedienen. Warum man eine Hauptbühne so lange blockiert, erschließt sich mir nicht.

J:Dead waren wie Alienare gestern der perfekte Opener. Druckvoller Rock zum Ankommen, Kaffee trinken und Lächeln: Amphi, wir sind wieder da!
Corri-May fand Soulbound gut, aber ich kann mit „Nu Metal“ oder „Melodic Industrial Metal“ jar nüscht anfangen. Aber: Daß der Sänger offen zu seinen Depressionen steht und den Fokus auf psychische Erkrankungen lenkte, war gut und ehrenhaft. Andererseits zeigen so Lieder wie „Addicted to Hell“ mit ihren plakativen Floskeln  wie „Surrounded by the dark / I burn myself alive / Longing for a reason / Yet I never say goodbye“  die Handschrift von Herrn Harms, der Soulbound produziert, meine ich.

Deus Ex Lumina

Wir konnten dann noch zwei, drei Lieder von The Other hören („Horror Punk“), bevor wir für Auger zum Schiff gingen. OMG, der völlig übersteuerte Baß – Corri-May sagte: „Halte ich nicht aus!“, und ging. Ebenso beschwerten sich andere Gäste über den Klang. Auger spielen „Dark Rock with sharp pop sense“ lt. Homepage – ja, eingängig, aber wenig Eindruck bei mir hinterlassend. So blieb ich für Deus Ex Lumina, während Corri-May sich Heldmaschine anschaute. Ich hatte mir mehr erwartet, aber die sauberen Lieder (z.B. vorab via Spotify gehört) klangen mit Schepper-Baß einfach blöd. Und letztlich – ich will da ehrlich sein: manchmal sind es mir zuviele Bands, die einfach „zum Macbook“ singen. Ok, das ist etwas abwertend, und, ja, es ist elektronische Musik. Egal, ich werde auf jeden Fall DEL eine weitere Chance geben und mich nochmal tiefer einhören.

The Beauty of Gemina

Zurück zum Hauptgelände, Treffen mit C-M und rein ins Theater für das zweitbeste Konzert des Wochenendes: The Beauty of Gemina. Ich will den Aufruf von Michael Sele hier weitergeben: die Tour im Herbst ist noch nicht ausverkauft: Leute, kauft Tickets, um die Live-Konzerte in den Clubs am Leben zu halten! Wir werden TBoG im Kulttempel in Oberhausen sehen. Musik, wie sie mir gefällt, Solo-Einlagen von jemandem, der sein Instrument beherrscht. Ja!

Henric de la Cour

Wir sind dann für eine „Service-Runde“ raus: Toilette, essen – und Solar Fake hören. Ok, wenn ich ehrlich bin, die hätte ich mir gern komplett angehört, aber man muß eben Prioritäten setzen… Und unsere Priorität des gesamten Festivals war Henric de la Cour…. Also zurück zur Orbit Stage. Was soll ich jetzt über den Auftritt schreiben? Daß er mich zu Tränen rührte? Daß er mir lange nachher im Geist blieb? Man muß wissen, daß HdlC an Mukoviszidose leidet, was u.a. eine eingeschränkte Lebenszeit bedeuten kann. Henric schien schon vor dem Gig nervös, zeigte durch seine Körpersprache, daß er nicht „in seinem Element“ war (oder Schmerzen hatte?).

Henric de la Cour

Beim Auftritt wirkte er zittrig, oft mit bebender Brust, aber immer bemüht, alles in das jeweilige Lied hineinzulegen. „Clinic“ brachte mich an eine Grenze, die Performance war grenzüberschreitend, sog mich ein. Wie schreibt man über so etwas? Wie beschreibt man das „Mitleiden“, als Henric bei „Grenade“ aussetzen mußte? Mir fällt nur ein Wort ein: Danke! Danke, daß du da warst, daß du mir das schönste, beste, intensivste und intimste Konzert des Wochenendes geboten hast.

Goethes Erben

Wieder zurück zur Theater-Bühne und dem grandiosen Abschluß mit Goethes Erben. Davor ein interessantes Gespräch mit zwei EBMern, die genervt waren von Bands wie Ost+Front, denen sie „rechte Tendenzen“ unterstellten. Sie waren der Meinung, daß die „uniformierten“ Festival-Teilnehmer wieder auf dem Vormarsch seien. Ich sah das anders, verwies auf die frühen 2000er Jahre, wo es in meiner Wahrnehmung viele Uniformierte bei Festivals gab. Wie Cybergoth ist das ein Kleidungsstil, der klar rückläufig ist. Warum auch immer geht der Trend zu „Shorts und Shirt“, auch wenn die Bildergalerien von Lokalpresse bis Musik-Magazinen wieder die schrillsten Kostüme zeigen.

Goethes Erben mit ihrer 35-jährigen Band-Geschichte und dem einzigen Festival-Auftritt im Sommer 2024 beim Amphi sind schon eine Koryphäe. Aber… man muß das auch mögen. Sehr gut umgesetzte Tanzeinlagen, ein geniales Cover von Pitchforks Requiem – ein fantastischer Abschluß des Festivals!

Rush

Was bleibt? Auf jeden Fall das Gefühl, bzgl. der Bandauswahl „alles richtig“ gemacht zu haben. Keine Ost-Front, Nord-Front, West-Front, kein Eisbrächärr und so weiter. Ich habe das ja schonmal geschrieben: dieser typische, aktuelle Festival-Sound mit einer Mischung aus Metal, „Neuer Deutscher Härte“ und markigen Liedzeilen – das ist in keiner Weise mein Ding. Ich will zurück zu den Wurzeln, zum Gothic Rock und Dark Wave, gern minimal, gern auch mal orchestral und brachial, aber mit Tiefgang und gern auch live gespielt statt aus der Dose.

Meine grundsätzliche Kritik ist die Dimension des Festivals, d.h. die Kluft zwischen „nur 2 Tagen“ und einem Bandangebot auf 3 Bühnen, wovon die dritte, das Rheinschiff mehr als suboptimal ist.
Wenn das Schiff nicht am rechten Rheinufer anlegen kann, müssen die Festivalgäste mit Shuttle-Bussen zum Anleger fahren. Das raubt Zeit an diesen zwei vollgepackten Tagen. Weiterhin ist das Schiff meist so voll, daß man sich gegenseitig auf die Füße tritt – das ging 2024 aber. Wäre da nicht das Sound-Problem. Das „tolle Ambiente“ auf dem Schiff ist für mich gerade keins.

Gut ausgesteuerte Musik mit crispen Vocals gibt es nur auf der Hauptbühne, das ist leider mein Fazit der letzten Amphis. (Ausnahmen bestätigen die Regel – The Beauty of Gemina waren perfekt vom Ton her.) Trotzdem werden wir wiederkommen.

[Hinweis: Alle Fotos stammen von mir und wurden mit einem iPhone aufgenommen. Ich bin kein professioneller Fotograf, habe dieses Jahr eher wenig fotografiert und bitte die z.T. mindere Qualität zu entschuldigen. Gesichter in der Nähe wurden unkenntlich gemacht. Hast DU etwas an einem Bild auszusetzen? Bitte kontaktiere mich!]

4 Gedanken zu „Amphi Festival 2024 – Bericht“

  1. Einige Anmerkungen zum Geschriebenen:

    Sonntag nachmittag war das Amphi-Gelände aber brechend voll (im Gegensatz zu Sonnabend). War wohl dem guten Wetter geschuldet, evt. viele Tagesgäste dabei.

    Die Schlange vor dem Merchandise-Stand war wirlich zu lang. Wer dort nicht am Sonnabend eine Stunde verbringen wollte, konnte keine T-Shirts mehr in „normalen“ Größen bekommen. Das müsste wirklich dringend geändert werden.

    Das Gastro-Angebot war sonnabends ab Mittag eigentlich vollständig meiner Wahrnehmung nach.

    Als Darkwave-Angebot war noch Kirlian Camera auf dem Boot zu sehen. Schönes Konzert.

    1. Hi Michael,
      ja, stimmt, Sonntag war voller – vielleicht wegen Wetter + attraktiveren Bands für Tagesgäste.
      Merch: Ich stecke da ja nicht drin, aber ich glaube, das ist so gewollt. Knapper Vorrat, schnell ausverkauft. Man könnte ja deutlich mehr produzieren und ggf. nach dem Festival die Reste über den Web-Shop verticken, aber ich glaube, das ist nicht das Ziel der Sache.
      Kirlian Camera: ja, ich weiß, das wäre noch eine Alternative gewesen, aber wir haben die schon im Dezember gesehen – und sooo ein Fan bin ich nicht. 😉

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