Stella Nomine “The Blackest One” 2024 – Bericht (1)

Donnerstag

Das Festival Stella Nomine “The Blackest One” (SN) wird seit 2020 (bzw. durch Corona de facto 2021) von Thomas Richter und einer Crew aus v.a. ehrenamtlichen Helfern in Torgau organisiert. Richter kommt aus dem Metal-Bereich, hat lt. Info von einem Crew-Mitglied selbst Banderfahrung und wollte wohl ab 2020 etwas für die Schwarze Szene analog zu seinem bekannteren In-Flammen-Open-Air organisieren. Während Letzteres ca. 5000 Besucher haben soll, wurden beim SN laut Torgauer Zeitung 1500 in diesem Jahr erwartet.

Ich hatte für 2020 – nach Erstankündigung – Karten – das SN fiel aus; dann bin ich 2021 nicht mit diesen zur Erstauflage des Festivals gefahren, das im Gegensatz zu anderen “trotz Corona” stattfand. 22 und 23 paßte die Bandauswahl nicht oder es gab einen Terminkonflikt (M’era Luna). Aber jetzt, 2024, zur vierten Auflage des Stern namens “Der Schwärzeste” waren Corri-May und ich da.
Geboten wurde ein großzügiges Zeltgelände – auch für Wohnmobile und Wohnwagen (ohne Zusatzkosten oder WoMo-Tickets). Und hier darf man noch neben dem Auto zelten – ziemlich attraktives Old-School-Feeling (obwohl man gebeten wird, das Auto bis Sonntag nicht mehr zu bewegen). Dazu gibt es noch einen Tagesparkplatz am Eingang. Die Bühne beim Gasthaus Entenfang ist klein. Sie ist fest installiert und steht zwischen hohen Bäumen, die tagsüber Schatten spenden und abends durch die Lichteffekte auf den Blättern eine heimelige Atmosphäre erzeugen.
Das Programm von Donnerstag bis Samstag bot 21 Künstler. Lacrimas Profundere waren spät als Überraschungsgast angekündigt worden. Headliner der drei Tage waren Suicide Commando, Dark und Kirlian Camera. Warum der Sonntag – wie bei anderen Festivals – nicht drin ist? Zum einen, so ein Crew-Mitglied, sei der Sonntag in Torgau “heilig”, da könne man keine Festivals abhalten, zum anderen brauchen die ehrenamtlichen Helfer diesen Tag zum Abbau.

Wir sind am Donnerstagvormittag die ziemlich genau 500km gut und ohne Staus nach Torgau gefahren, wo wir die Tage in einer Pension übernachtet haben. Zu Fuß dann am Spätnachmittag die etwas über 3km zum Festivalgelände am Speichersee. Hier merkt man gleich, daß das alles anders läuft als bei großen Festivals: Nach dem Bändchentausch standen wir etwas “lost” auf dem Campingplatz, hörten von irgendwoher schon Musik und wußten erstmal nicht, wie wir da hinkommen sollten. Also bis zum Backstage-Zaun, daran entlang – aha, hier geht’s rein.
Der Flair des Festivals hat klar mit der Größe, eher dem “Klein-Sein” zu tun. Kleine Bühne unter Bäumen, ein paar Stände drumherum, Bratwurstbude, größerer Essensbereich (vom Gasthaus Entenfang organisiert), Getränkebuden. Kleiner Kritikpunkt hier: mir fehlten ein paar Infos auf der Homepage zu den Modalitäten vor Ort. Das war eher spärlich. Mir war z.B. nicht so klar, ob man sich als Nicht-Camper vor Ort gut verpflegen kann. (Und ja: die Rostbratwürste aus der Region waren Erste Klasse.)
Das Thema Sanitär ist mit einer speziellen stationären Dusch- und Toilettenanlage gelöst, für die man eine “WischiWaschi-Flatrate” kaufen kann. Ansonsten kostet der Toilettengang 2€. Die kostenlosen Dixies waren aber zum Abend hin schon sehr “mitgenommen”. Tip: auf die an leeren Camping-Bereichen ausweichen.
Von den Besucherzahlen her war es meinem Gefühl nach ein leichter, aber konstanter Anstieg von Donnerstag zu Samstag.

Wir hörten uns den Opener William Bleak an, der mich teilweise an Henric de la Cour erinnerte. Bei den Dead Lights unterhielten wir uns etwas abseits mit T., der regelmäßig zum SN kommt. Andere Festivals seien ihm zu groß. Wir tranken ein Bier zusammen, waren uns sympathisch und tauschten die Telefonnummern aus: “T. der Ossi” (auf seinen Wunsch) vs. “Rush der Wessi”… 😉
Wobei T. wert darauf legte, daß trotz weiter vorhandener Spannungen zwischen Ossis und Wessis hier beim SN “neutraler Boden” sei: hier seien alle gleich, egal woher sie kämen. Aber ist das nicht das Grundprinzip “schwarzer” Events?

Die frühen Bands haben eine Dreiviertelstunde für ihren Auftritt, die späteren alle 60 Minuten (ok, bis auf Umbra et Imago mit ihren 70 Minuten). Für Newcomer gut, um ihr Einstiegsmaterial zu präsentieren, für Alte Hasen muß es dann ein Best-Of sein. Umbaupause immer 30 Minuten. Wenn man also eine Band nicht sehen will, kann man locker für anderthalb bis 2 Stunden zum Zelt/Wohnmobil zurückgehen.

Für Kontrast, die man vielleicht auch als Isecs kennt, gingen wir vor die Bühne und feierten den Auftritt. Ich mag diese an die “80s” (so auch der Titel eines Songs) erinnernde Musik – und natürlich mußte zum “Einheitsschritt” mitgesungen und in selbigem getanzt werden.

Ich traf dann V., der die Atmosphäre auf dem SN als “Freiheit” bezeichnete. “Früher” sei es auch beim WGT noch besser gewesen: Leute mit wenig Geld seien mit Zelt angereist, um eine gute Zeit zu haben. Er vermisse diese “WGT-Frühzeit”. Heute kämen Leute, die in den teuersten Hotels blieben und sich über Stunden schminken und in Kostüme zwängen würden. Deshalb sei das SN so etwas wie “back to the roots”.
Aber der Nachwuchs fehle halt: auch V.s Kinder seien nicht an Gothic interessiert.
Im übrigen war Oswald Henke jeden Tag auf dem Festival (privat) unterwegs.

Suicide Commando schlossen den Abend dann schon mit einem dynamischen Auftritt ab. Ist nicht so “mein Künstler”, aber kann man sich gut anhören. Und das laut geschrieene Statement “No more fucking wars!” kann wohl fast jeder unterschreiben.

Ich sprach dann mit einer Frau Ende Siebzig, Pfandsammlerin, die ihr mit Taschen behangenes Fahrrad über die Wiese schob und Flaschen und Dosen einsammelte. Traurig dieses Bild, das man auch vom Eingangsbereich des Amphi kennt, aber natürlich v.a. aus den Innenstädten. Wo hat das “System” versagt, wenn Renter nur mit den Kleckerbeträgen aus Pfand überleben können? (Von der Crew hörte ich später, daß das Sammeln nicht gern gesehen werde, weil es spezielle Pfand-Spende-Container gibt. Dieses gespendete Pfand wird später wohl einer KiTa in Torgau zugutekommen, was aber m.W. nirgendwo beworben wurde.)

Nach dem Ende des Programms wurde es dann schnell ruhig; die Bierbude Entenfang war gegen 23 Uhr zu; bei der Bar der ehrenamtlichen Festival-Helfer im vorderen Bereich ging es noch länger weiter. Was mich als einziger Punkt an diesem Tag wirklich störte: der Aufbau des DJ-Bereichs neben der Bühne, so daß die Leute im Dunkeln tanzten! Das geht gar nicht: zum Tanzen gehört Sehen und Gesehenwerden… Warum man das nicht auf die Bühne und die Tanzenden davor verfrachtete, wo ja immer noch genügend Licht war, ist mir schleierhaft. (Vielleicht sollte aber der Backstage-Bereich so deutlicher abgetrennt sein.)

Wir sind dann wieder zu Fuß zurück in das Städtchen – ganz allein, nicht ein anderer Festivalbesucher war zu sehen.

Freitag

Beim Frühstück hatten wir das Glück, mit Crew-Mitgliedern des SN zusammenzusitzen, so daß wir ein bißchen über die Geschichte der beiden Festivals – In Flammen und SN – erfahren konnten. Manches lasse ich hier einfließen, anderes nicht, weil es privat ist.
Im Anschluß gingen wir in die Altstadt und schauten uns das Schloß samt Bärengraben an. So langsam wurde es ziemlich heiß. Wir setzen uns an den. Marktplatz, wo ein Etappenziel einer Oldtimer-Rallye aufgebaut war – Konstrastprogramm der stinkenden Motoren und posenden Fahrer zum gemütlichen schwarzen Open Air.

Diesmal fuhren wir mit dem Auto zum Tagesparkplatz am Festival-Gelände. Die Opener Waldträne und Pretty Addicted haben wir verpaßt, wobei letztere mit schrägem Auftritt und Hantieren mit einer Whisky-Flasche einigen in Erinnerung geblieben sind. Aktuell spielten die Cemetary GirlZ, die ich am ehesten Richtung Death Rock einordnen würde – sehr gut hörbar.

Beim Rundgang über das Gelände fiel mir erneut auf, daß Fantasie-Kostüme insbesondere in schrillen Farben fehlten (ok, bis auf den Herrn mit angeklebten Hörnern). Normale Leute – von barfuß über Adilette bis Kampfstiefel, von T-Shirt und Shorts zu ausgeklügelter schwarzer “Tracht” inkl. hochtoupierten Haaren – sehr schön! Das trug für mich viel zur Atmosphäre des Festivals bei.

Rabengott moderierten das Festival – und nun wurden Batboner angekündigt. Norweger mit einer Mischung zwischen Death und Gothic Rock – sehr gut! Für mich der erste musikalische Höhepunkt des Tages.

Hervorheben möchte ich auch, daß es immer möglich war, Sitzplätze zu finden: entweder im Zelt oder vorne im Eingangsbereich. Dieser vordere Bereich mit der großen Bar wird von der SN Crew betrieben, der Bierstand rechts hinter der Bühne und die dortige Essenstheke vom Entenfang-Eigentümer. Daher auch die unterschiedlichen Bierbecher.

Bei der Ankündigung von Stalingrad Valkyrie war ich seinerzeit skeptisch: wieso Kirlian Camera zweimal? Wieso – angesichts der Kriege in der Welt – ein Projekt mit diesem Namen anheuern? Zudem gab es um beide Projekte Kontroversen: Stalingrad (ohne den V-Part) waren z.B. auf dem Thorak-Sampler mit “Der letzte Flug” vertreten, der vom notorischen VAWS-Verlag veröffentlicht worden war. Anfang der 2000er wurde dieser Verlagsstand z.B. während eines M’era-Luna-Festivals vom Gelände verwiesen. Aber ich will das hier nicht wieder hochkochen: Es war doch ein guter Auftritt mit breiten elektronischen Klangteppichen und einer eigenwilligen, überzeugenden Cover-Version von Ultravox’ Hymn. Was Herr Bergamini da am Mikro aus einem Buch vorgetragen hat, war für mich nicht zu verstehen.
Dafür waren zwischendurch die “SN Ultras” lautstark zu hören. 😉

Zu Centhron schreibe ich anstandshalber nichts. Wir drehten eine größere Runde übers Gelände, wo es noch viele ungenutzte Stellflächen gab. Der zunehmende Mond ging hinter Bäumen auf und schien schön passend von hinten auf den Festivalbereich.

Ein besonderes Herzens-Projekt des Organisators Richter schien die Doom Metal Band Clouds zu sein. Sie spielte schon auf dem In Flammen und wurde nun – vom Cheffe persönlich angekündigt – dem “schwarzen Klientel” präsentiert.
Und was für eine Bühnenpräsenz hat diese sechsköpfige Band mit energetischem Sänger?! Klare Textpassagen wechselten sich mit ge-“growlten” ab. In einem Song ging es um den Tod des Vaters.
Mich hat diese Performance sehr beeindruckt – Höhepunkt des Tages!

Nun wurde uns die Zeit etwas lang – wir wollten doch auf jeden Fall auf Dark warten. Lacrimas Profundere hatten wir im M’era-Luna-Livestream gehört… Ja, sagen wir so: die Musikvielfalt allein an diesem Tag war so groß, daß für jeden etwas dabei war. Für mich sind aber “Krach und Schreien” nicht mehr sooo attraktiv, so daß wir mit gemütlichem Bierchen im Zelt saßen.

Dann Dark, der Headliner des Abends – mit erster Open-Air-Show, wie er bei Insta schrieb. Ich hatte mir soviel mehr versprochen – und möchte hier nicht negativ urteilen, während Band / Fans den Auftritt bei Insta in den Himmel loben.
Aber was mir beim Online-Hören schon aufgefallen war, bestätigte sich nun: das ist sehr monotone Musik. Auf der einen Seite diese brachiale Sound-Wand, die grundsätzlich gut klingt, aber doch auch in jedem Song kaum verändert den Hintergrund abgibt. Darüber der schwer zu verstehende Gesang von Dark, der etwas “steif” agierte – und das Gefühl, daß er das Publikum zumindest in der ersten halben Stunde nicht so richtig mitreißen konnte. Das motivierte uns nicht zum Bleiben, so daß wir nach gut der Hälfte des Konzerts Richtung Auto gingen. Ich weiß, das ist für die Künstler nicht schön – und ich habe da immer ein schlechtes Gewissen. Andererseits sind Festivals mit so vielen Künstlern eben auch “opt-in”-Veranstaltungen: ich kann mir das anschauen, muß es aber nicht.

Das war im übrigen auch so ein Eindruck vom Spätnachmittag: Es war vor der Bühne schon noch viel Platz. Das fand ich schade für die Bands, die dann spielten. T. mit dem wir gestern gesprochen hatten, meinte: viele kommen zum Campen und Feiern, die bleiben am Zelt und hören die Musik nur im Hintergrund. Das war zum Teil am heutigen Freitag auch mein Eindruck. Da kommen Leute mit Klappstühlen, setzen sich auf die Wiese in Bühnennähe – und verschwinden nach einigen Songs wieder. Das ist kein Problem für mich, nur eine Beobachtung, aber ich kann verstehen, wenn es Bands nervt, daß sie vor einer Handvoll Leuten spielen.

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