13 Exorcisms (Film)

Während man in Hollywood noch nach der richtigen Exorzismus-Formel für Filme sucht oder groß angekündigte Remakes floppen, wurde in Spanien ein wirklich guter Exorzismus-Film gedreht: 13 Exorcisms – das Erstlingswerk von Jacobo Martínez.

Ich habe den Film via iTunes gesehen und bewerte ihn mit ****. Der Text spoilert den Film! (Infos @ Wikipedia)

Zentral ist eine galizische Familie (es wurde u.a. in Santiago de Compostela gedreht), die streng katholisch ausgerichtet ist. Die Mutter glaubt, die Sünden der Eltern hätten sich im Unfalltod eines Sohnes und der Behinderung des anderen Sohns gezeigt, so daß die Tochter Laura nun behütet wird. Sie scheint unter der rigiden Atmosphäre zu leiden: man sieht am Anfang, wie sie eine Medikation verweigert; später ist von Magersucht und Ängsten die Rede.

Laura schleicht sich an Halloween aus dem Haus, trifft sich mit Freunden in einem „lost place“, wo „der Doktor“ seine ganze Familie umgebracht haben soll. Bei einer Séance, eigentlich nur einem kleinen Einladungsritual für Geister, scheint Laura sich zu verändern – und zwar so, daß die anderen drei wirkliche Angst vor bekommen. Auch der neue Priester der Gemeinde spürt später direkt, daß mit ihr etwas nicht stimmt.

Genre-typisch werden nun diverse Vorkommnisse und Symptome gezeigt, bei denen vor allem eins auffällt: die Kameraführung. Immer ist die Kamera ganz nah an der Person, erzeugt diese Nähe und Dynamik auch beim Betrachter, ja, manchmal sogar beklemmende Gefühle.

Laura spricht im Schlaf mit „dem Doktor“, etwas Unsichtbares verfolgt sie auf der Schultoilette und dreht am Türschloß, sie würgt Haare hervor usw. An der Stelle muß man aber doch auch sagen, daß oft der Eindruck entsteht, die böse Entität ist noch außerhalb von Laura, nicht in ihr im Sinne des üblichen Verständnisses von Besessenheit. So auch als die Einritzungen auf den Armen „erscheinen“: Hure, Schlampe: Die filmische Umsetzung ist so, als würde sie von außen von etwas „angesprungen“. Das ist eine unübliche Herangehensweise, aber  – gut.
Laura deutet viele Vorkommnisse vor dem Hintergrund ihres konservativen Elternhauses – sie hat Angst, in die Hölle zu kommen, im (leeren) Beichtstuhl spricht jemand zu ihr von der „Sünde der Wollust“.

Seicht wird der Film an dem Punkt, als die atheistische Schulpsychologin Lora eingeführt wird: für sie ist ganz klar, daß es nüchterne, medizinische Gründe für Lauras Verhalten geben muß. An dieser Konfliktlinie Lora – Elternhaus entscheidet sich der ganze Film.

Dramatisch ist die MRT-Szene: Laura hatte irgendwie kleine Metallkreuze verschluckt, die sich nun erhitzten, so daß das Mädchen sich unter Schmerzen wand. Nach dem operativen Eingriff gesteht sie ihrer Mutter: ein Dämon sei in ihr, der sage, er werde sie nicht in Ruhe lassen.

„Glücklicherweise“ stellt sich nun heraus, daß der neue Priester der Gemeinde, Pater Olmedo, ein ausgebildeter Exorzist ist. Er drängt die Eltern dazu, Laura aus dem Krankenhaus zu holen, damit er zuhause einen Exorzismus durchführen kann – oder eben die namensgebenden 13. Das habe ich hier zum ersten Mal gehört: man dürfe maximal 13 Exorzismen durchführen, sonst sei die Seele verloren. Ich denke, das ist dramaturgisches Element.

Sehr gut umgesetzt ist die Szene, in der die Eltern die Wohnung präparieren, während Pater Olmedo aus dem Off eine Erklärung zum Thema spricht.
Schmunzeleffekt dann (bei mir), als wieder einmal das Licht ausgeht und die Anwesenden Laura mit Taschenlampen in der Wohnung suchen. Doch der Film geht auch eigene kreative Wege: der Pater hat kein eigenes Weihwasser dabei, sondern segnet den Tropf, an dem Laura hängt, was bei ihr zu Konvulsionen führt.

Insgesamt sind die Exorzismen „solala“ umgesetzt. Der Pater spricht nicht das Rituale Romanum, sondern zitiert v.a. aus den Psalmen 23 und 121, spricht aber auch freie, gut formulierte Gebete. Mit einer krassen Aktion, dem Untertauchen Lauras in der Badewanne (gedacht als Reinigungsritual), bringt er den Dämon dazu, sich zu erkennen zu geben – und obwohl es nicht mehr Teil heutiger Exorzismen ist, antwortet dieser auf die wiederholte Frage nach seinem Namen: Luzifer.

Das Ende ist dann zwar etwas platt, wird aber durch den Tod der Hauptperson „gerettet“: Lora überzeugt den Vater davon, daß Laura krank ist und mit den Exorzismen aufgehört werden muß. Beide rufen die Polizei. Mit der Aussage „Papa, ich habe mein Bestes gegeben“ stürzt sich Laura aus dem Fenster und stirbt. Die Szene der im Regen auf der Straße liegenden Laura ist absolut genial gefilmt.
Überhaupt hat mich die Kameraführung an ein Buch erinnert, das ich lange nicht mehr besitze: es ging um das fotografische Werk des Schauspielers James Dean, in dem besonders darauf abgestellt wurde, daß ungewöhnliche Blickwinkel spezielle Effekte erzielen können.

Nicht alles ist letztlich stimmig: in einer der krassesten, „gore-igsten“ Szene scheint Laura einen Mitschüler auf der Toilette zu töten. Doch sein Fehlen/Schicksal ist später kein Thema mehr.

Offen bleibt aber die Frage, ob das ad-hoc-Bündnis Vater & Lora in Verbindung mit der anrückenden Polizei zu Lauras Tod geführt hat. Das könnte bedeuten, daß der Film die Arbeit des Exorzisten affirmativ deutet: wäre er nicht gestört worden usw.
Andere Deutung: Nach der 13. Kerze gibt es keine Chance mehr auf Austreibung des Dämons – nur durch den eigenen Tod kann Laura die Wesenheit loswerden.

Aber vielleicht werden wir im Sequel mehr erfahren – immerhin erhält Lora noch nach Lauras Tod von ihr eine Sprachnachricht…
Insgesamt ein erdiger, old-schooliger Film, der mich sehr anspricht. Er lebt von der Enge eines strikt gelebten religiösen Systems und dessen Kollision mit den eigenen Dämonen.

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