Das Ritual – The Rite (Film)

„Das Ritual“ ist ein Film des schwedischen Regisseurs Mikael Håfström aus dem Jahr 2011, dessen „Zimmer 1408“ (2007) mir auch sehr gut gefallen hat. Ich habe The Rite via iTunes gesehen und bewerte ihn mit der Note 2.
(Wikipedia) – Dieser Text spoilert den Film!

Der Film basiert auf dem Buch „Die Schule der Exorzisten: eine Reportage“ von Matt Baglio, das wohl zum Film unter dem Titel „The Rite. The Making of a Modern Day Exorcist“ neu erschienen ist. Ein grundsätzlich sehr empfehlenswertes Buch, wenn man tiefer einsteigen möchte.

Vorab: so wie dieser, in großen Teilen in Ungarn gedrehte Film muß ‚Kino‘ für mich aussehen: großartige Sets, liebevoll ausstaffiert, fantastische Kameraführung, langsame Schnitte. Aber vor allem – und im Kontext des Themas – sind die Besessenen nicht als Zombies maskiert.
Aber: der Film lebt v.a. von der Person des Anthony Hopkins und seiner Schauspielfähigkeiten. Ohne Hopkins wäre es für The Rite schwer geworden – und von der Note her vielleicht eine 3.

Wieder sind wir beim altbekannten Thema: junger, zweifelnder Geistlicher vs. ‚alter Hase‘. Und der junge Priester will eigentlich gar keiner sein… Michael lebt nach dem frühen Tod seiner Mutter mit dem Vater, der Bestatter ist. Bei den Kovaks wird man(n) entweder Bestatter oder Geistlicher – und Michael will ersteres nicht. Also Priesterseminar und die Einsicht: das ist es nicht, ich kann nicht glauben. Als er das seinem Professor Matthew gesteht, übt dieser Druck aus und schickt Michael nach Rom zu einem Exorzismus-Kurs, weil er dort Kontakte hat, die den jungen Mann ‚auf Linie bringen‘ sollen.
Das ist Pater Xavier, der das Exorzismus-Seminar leitet, und der Michael an den erfahrenen Exorzisten Pater Lucas vermittelt, der von Hopkins gespielt wird.

Das Thema des Films ist fortan die Beziehung dieser beiden Männer: Michael, der junge Zweifler, Lucas, der erfahrene Exorzist.
Zunächst geht es zentral um eine junge, schwangere Frau, offenbar vom eigenen Vater vergewaltigt, Rosaria, die besessen ist. Es werden Exorzismen gezeigt, welche Michael begleitet, die alle sehr gut dargestellt sind, in keiner Weise überzeichnet, keine krasse Schminke. Der Dämon, der sich später als Baal zu erkennen gibt, spricht mit dunkler Stimme aus der Frau. Auch das Thema ’sexuelle Offerten‘ und Anzüglichkeiten ist wenig dominant. Mir gefällt das sehr gut.

Baal ist im Christentum ein Dämon, ursprünglich aber im westsemitischen Raum (Ostküste des Mittelmeers) eine Wetter- und Fruchtbarkeitsgottheit, wobei der Name (‚Herr‘) theoretisch für jede Gottheit verwendet werden konnte. Ein Kupferstich von 1863 stellt ihn mit drei Tieren dar, wovon insbesondere Frosch und Katzen auch in „The Rite“ eine Rolle spielen.
Grundsätzlich ist das, auch im Film zu sehende, aggressive Fragen des Exorzisten nach dem Namen des Dämons eine heute nach reformiertem Rituale Romanum nicht mehr ausgeübte Praxis. Hinter der Namensfrage steht die alte magische Vorstellung davon, Macht über jemanden zu haben, wenn man seinen Namen kennt.

An Exorzismus-Techniken werden speziell die heiligen Gegenstände (Kreuz, Weihwasser) hervorgehoben, auf die die Dämonen reagieren.
Die Diskussionen zwischen Michael und Lucas sind z.T. langatmig bis ans Langweilige grenzend: da ist der abgebrühte Exorzist, der schon zuviel gesehen und erlebt hat, und der junge, amerikanische Zweifler, der Rosaria in die Psychiatrie einweisen will. Erkennbar, auch für den Zuschauer, geschehen Dinge, die nicht rational erklärbar sind: so das Erscheinen des Arm-Kettchens von Michaels Mutter an Rosaria oder – später – an seiner Türklinke. Auch daß Rosaria plötzlich in verschiedenen Sprachen spricht, ist Besessenheitszeichen – nicht PTBS. Aber um dem Film Länge und ‚Substanz‘ zu geben, muß Michael eben für lange Zeit der Zweifler bleiben. Dann trägt nur  Hopkins den Film, der sonst dünn geworden wäre…

Pater Lucas lebt mit etlichen Katzen in einer kleinen, alten, verwinkelten Wohnung. Beim Exorzismus eines kleinen Jungen findet er einen Frosch in dessen Kopfkissen – Symbol Baals -, den er im Ofen verbrennt. Als Michael den Frosch später in Lucas‘ Tasche findet, wirft er diesem Zaubertricks vor. Auch hier ein Zeichen der Besessenheit: die besessene Person weiß Dinge, die sie nicht wissen kann. Der Junge sagt den Tod von Michaels Vater voraus (so wie Rosaria erraten konnte, was Michael in einer Tasche hält). Diese „Kenntnis des Unkennbaren“ ist lt. Pater Lucas der ’schnellste Test‘ auf Besessenheit. Er warnt den zweifelnden jungen Mann: die Entscheidung, nicht an den Teufel zu glauben, schütze ihn nicht vor dem Teufel… Lucas sinngemäß: „Das  Grauen ist real, aber Sie besiegen es nur, wenn Sie glauben…“

Was mir an Hopkins‘ Darstellung von Pater Lucas gut gefällt: auch er hat Zeiten des Zweifels hinter sich, insbesondere nachdem ein Kind bei einem seiner Exorzismen gestorben ist. Er sei vom Glauben abgefallen – aber da grabe immer noch ein ‚Fingernagel Gottes‘ in ihm, der nicht ruhte, bis er ihn, Lucas, wieder ‚ex umbris ad lucem‘ geführt habe.
Doch ist das so? Der große Showdown, den jeder Exorzismus-Film braucht, ist die Austreibung Baals aus Lucas! Angesichts der Katzen, die bei ihm leben, des Frosches muß man fragen: seit wann hatte Baal Besitz von Lucas? Das evoziert auch Fragen wie: kann sich ein Exorzist immer gegen die dämonischen Mächte abgrenzen, mit denen er zu tun hat? Kommt also, wer mit Feuer spielt, letztlich darin um?
Hier wird die Krise Lucas‘ vom Tod Rosarias und ihres Babys hervorgerufen – Baal hat wieder einen Teilsieg erreicht.

Ich kürze ab: natürlich ist der Exorzismus Lucas‘ die ultimative Glaubenserfahrung für Michael, der nun ‚auf Linie‘ ist. Da der Film von wahren Ereignissen inspiriert ist, erfahren wir im Abspann, daß der reale Michael einer von 14 Exorzisten in den USA ist, der heute noch im Raum Chicago arbeite (s. das erwähnte Buch von Baglio).

Sehr gut gelingt dem Film die Umsetzung der Macht des Dämons: Rosaria erbricht Nägel, Michael telefoniert mit dem schon toten Vater, dann ist sein Zimmer mit lebenden Fröschen übersät… Der besessene Junge spricht von einem Maultier, das ihn verfolge, Michael sieht ein Pferd im Schnee stehen, das ihn mit rot leuchtenden Augen anschaut.
Oft ist es bei dieser Thematik so, daß das Thema „Einfallstor“ für den Dämon eine große Rolle spielt, so auch hier: bei der Beerdigung seiner Mutter (herrliche Drohnenaufnahme von schwarzen Regenschirmen vor dem Hintergrund einer Schneelandschaft) hatte Michael ein Kreuz mit seiner Hand verbogen – da habe er sich für den Dämon geöffnet. Über die Aussage, daß er, Michael, an den Dämon glaube, weil er sich ihm so klar in Rom gezeigt hat, kommt er zu dem Schluß: dann glaube ich auch an Gott, also den Gegenspieler des Dämons. Der wieder fitte Lucas kommentiert das zum Schluß so: „Ich finde, der Glaube steht Ihnen gut.“

Wie schon The Crucifixion ist dies ein Film über das Glauben-Lernen. Aber ohne Hopkins wäre er nicht das, was er ist, denn der Schauspieler rettet auch plattere Dialoge. Auch die Darstellerin von Rosaria, Marta Gastini, will ich hervorheben. Michael bleibt für mich blaß.

Doch alles in allem ist „The Rite“ für mich einer der besseren Filme zum Thema.

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