Satzer: Wehrbach (Erzählung)

Auf die im Einbuch-Verlag Leipzig 2024 erschienene Erzählung Olaf Satzers – ein ca. Din-A6 großes Büchlein mit 167 Seiten – bin ich über das Stichwort BDSM gekommen. Tatsächlich scheint der Klappentext hier einen Schwerpunkt zu setzen (“zu einem ersten Treffen” – von wievielen?), der so im Buch gerade nicht existiert. Zentralfigur Luis Wehrbach ist Sproß eines Hamburger Familienimperiums, wird als Connoisseur dargestellt und steht halt auf BDSM, v.a. Spanking. Er besucht einen einschlägigen Club, hat Affären in diese Richtung, aber die Geschichte ist keine BSDM-Erzählung.

Fulminant steigt der Leser in die Sterbemomente Janas ein, Luis heimlicher Liebe und Sub. Das ist extrem gut formuliert und als Anfang überwältigend gestaltet. Danach plätschert der Text zunächst so dahin: Luis im Exil auf einer spanischen Insel, eine “nicht-schwule” Beziehung zu Eduardo, der Anruf des väterlichen Freunds, der ihn  zurück nach Deutschland holt. Ich will hier anmerken, daß meinem Empfinden nach ein paar Schwächen gerade in der wörtlichen Rede der Protagonisten liegen, die z.T. gestelzt wirkt. Das insbesondere, wenn Hintergrund-Infos an den Leser gegeben werden sollen, die zu unnatürlichen Dialogen führen: “Ich arbeite ja nun schon seit fast vierzig Jahren in der Firma deines Vaters…”

Warum soll Luis zurück nach D? Ja, das ist die Kerngeschichte der Erzählung: Luis hatte sich in Jana, die Partnerin seines besten Freundes Andi verliebt. Sie teilte sein BDSM-Interesse. Im Buch wird die erste Session der beiden kurz “angeteasert”, mehr nicht. Janas zu Anfang beschriebener Tod ist quasi der GAU aller Fremdgehenden: daß etwas Massives passieren könnte, das die Sache auffliegen läßt.
Die neue Partnerin dieses Freundes (Andi) hatte gegenüber Bernhard durchblicken lassen, daß vor dessen Krebstod eine Aussprache mit Luis sinnvoll sei.

Satzer springt in der Zeit hin und her, führt genaueres zu Bernhards und Eduardos Geschichte aus. Das streckt den Text (neutraler: füllt inhaltliche Lücken), ohne nennenswerte Signifikanz.

Ohne daß der Leser es zunächst versteht, beginnt ab Luis’ Betreten des Hospizes, in dem Andi seinem Sterben entgegensieht, ein andere Ebene der Erzählung. Das hat der Autor geschickt gemacht. Obwohl der Klappentext das andeutet, möchte ich anregen, diesen gar nicht zu lesen, weil er zuviel verraten könnte. Es folgen Gespräche im Hospiz mit Andi, aber auch einem sonderbaren Pfleger, der mit Vor- und Nachname angesprochen werden möchte – und im übrigen sehr förmlich spricht.

In den Gesprächen mit Andi geht es v.a. um Janas Persönlichkeit. Luis weiß mehr, als Andi seinerzeit wußte. Er beschreibt die Schattenseiten dieser Frau. Letztlich spricht aber genau das auch gegen Luis, der Jana – trotz Liebesgeständnis – im Grunde ausgenutzt hat – und die Freundschaft zu Andi aufs Spiel gesetzt hat. [Beim Korrekturlesen stolpere ich über das Wort ‘ausgenutzt’ – vielleicht ist es zu hart. Sagen wir: Luis hat Jana da abgeholt, wo sie stand, und er etwas mit ihr anfangen konnte.]

Der gesamte Text ist dabei vom Thema Tod durchzogen – beginnend mit Janas Sterbeminuten, dem Hinweis zum Autounfall von Luis’ Eltern, dem verschrobenen Pfleger, der Luis gesteht, ein Mörder zu sein.

Die Erzählung nimmt dann zum Schluß ein signifikante, überraschende Wendung in der man erfährt, daß Andi, Luis, Jana und besagter Pfleger in einer Verbindung stehen.

Von Schreibstil und Themenwahl/-bearbeitung mußte ich beim Lesen an die Band Element of Crime denken, die ich in den 90ern gern gehört habe. Da gab es oft auch diesen lakonischen Blick auf den Alltag.

Ähnlich beklemmend wie die Einleitung um Janas Tod sind die letzten beiden Seiten, die mir noch länger nachhingen. Alles in allem eine sehr schöne Erzählung, die flüssig zu lesen ist, gut unterhält, aber gerade durch den Schlußteil auch zum Nachdenken anregt. Für alle Freunde des Morbiden eine Empfehlung! 😉

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