Salzburg

in memoriam Georg Trakl
Salzburg.

Ankommen mit ertrunkenen Träumen, gedemütigt.
Im Regen erscheint die Stadt
wie ein aufgerissenes Maul,
das uns hineinzieht. Dich zuerst.

Erspüre ich auf nassem Pflaster
zeitlos versunkene, einstige Schritte?
Sein Haus leuchtet mir ein heller Stern.
Hinter verschlossener Pforte
brütet Einsamkeit in weltflüchtigen Visionen.

Lenke durch dunkle Gassen meine Schritte –
zuviel Leben, verhökerte Pracht, verscherbelter Glanz.
In düsteren Cafés sitzen Männer und Frauen
an Tischen bei dampfendem Kaffee.
Wortlose Unterhaltung.
Doch flammt kein Fluch in ihrer Augen Begehren.
Töte, wenn auf stillen Plätzen
die Zeit deinen Tanz verspottet.

—-

„Salzburg“ ist ein Text, den ich mit Bedenken veröffentliche. Einerseits empfinde ich ihn als sehr privat, andererseits als textlich sub-par. Es geht um den Besuch der Stadt Salzburg und des (zu dem Zeitpunkt verschlossenen) Geburtshauses des Dichters Georg Trakl. Die „weltflüchtigen Visionen“ leiten von meinen Emotionen über zu Trakl, bis hin zur wörtlichen Ansprache des Dichters, der mir einmal so wichtig war, daß ich ständig die Taschenbuchausgabe seiner Werke bei mir hatte.

„Wortlose Unterhaltung“ – vor dem Hintergrund des Salzburg-Besuchs mit einer Partnerin bei lange ‚angezählter‘ Beziehung – spielt auf das Gedicht „Sachliche Romanze“ von Erich Kästner an, in dessen drittem Vers es heißt:

„Sie gingen ins kleinste Cafe am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.“

Der „Fluch in ihrer Augen Begehren“ ist auf Trakl und dessen Beziehung zu seiner Schwester bezogen. In der Prosa-Vision „Traum und Umnachtung“ verwendet er mehrfach das Wort Fluch („O des verfluchten Geschlechts“, „o der Verfluchten“…), das ich hier jedoch negiere im Sinne einer Freizügigkeit und naturalistischen Einstellung.

‚Töte‘ ist einfach ein Verb für den Ausbruch aus beengten Verhältnissen, aus den Zwängen, ja, auch ein wenig Weglaufen vor Verspottung und Unverständnis. Es bezieht sich nicht so sehr auf das Gegenüber selbst, sondern die Beziehung zu ihm. Cut the ties that bind.

Der „Tanz auf stillen Plätzen“ ist so ein Lebensbild für mich; es reicht vom Alleinsein, von Freiheit und Ausdruck durch Tanz, hin zum (von anderen so verstandenen) Anderssein, zu ‚awkwardness‘, Erklärungen, wo es nichts zu erklären gibt. Und die stillen Plätze kann es tatsächlich geben, doch oft sind sie ‚just in my mind‘.

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