Trigger-Warnung! Der Text behandelt auch das Thema Suizid/Selbsttötung. Wenn das für Dich ein Problem ist: bitte nicht lesen!
Hier gibt es eine Vorbemerkung zu diesen Texten.
Der besprochene Comic befaßt sich mit dem japanischen Wald Aokigahara jukai, s. Einleitungsseite.
Von Tengu Ediciones ist Ende 2024 ein Comic mit einschlägiger Thematik erschienen, der z.B. über Amazon Spanien für ca. 30€ (Hardcover) erworben werden kann. Es ist eine Kollaboration verschiedener Künstler: Ainhoa Algeciras, Francisco Asencio, Manuel Espinosa, Pauli Junquera, Fran Mariscal Mancilla, Cen NULL, Jose Luis Vidal, wobei das Skript oder die Idee vom letzteren stammt.
Das sauber gebundene und edel aussehende, schwarze Buch umfaßt 176 Seiten und ist in spanischer Sprache. Das Spanisch ist durchaus anspruchsvoll; wer die Sprache, wie ich, ca. auf Niveau A2 versteht, tut sich doch manchmal noch schwer. Da muß Google Translate mal einspringen.
Es sind fünf einzelne Geschichten, unabhängig von einander. Am Ende findet sich noch eine Galerie mit Einzelbildern und Entwürfen der Zeichner.
Ich fasse die Geschichten kurz zusammen, ohne sie zu 100% zu spoilern:
El último cuento de la abuela San (Espinosa/Algeciras)
Dies ist die Lebensgeschichte von San. Sie hört als kleines Mädchen Geschichten über Yokai (Geister) von ihrer Großmutter. Später arbeitet sie hart im kleinen Dorf, hat mit ihrem früh versterbenden Mann zwei Söhne, die in die Großstadt ziehen, weil sie dort mehr Geld verdienen können. Beide sterben durch ein großes Unglück, und die nun alte San zieht durch die Lande, um ihrerseits den Kindern Geistergeschichten zu erzählen. Am Ende erreicht sie den Aokigahara, wo sie erkennt, daß hier ihr Leben (auf natürliche Weise) zu Ende geht.
In hellen Farben gezeichnet erleben wir, wie das Geschichtenerzählen eine Kunst ist, die die konkreten Lebensumstände überragt.
Zero (Cen)
Die zweite, vom Stil grober gezeichnete Geschichte zeigt den letzten Kriegseinsatz eines jungen japanischen „Kamikaze“-Piloten, der gerade erst geheiratet hat. Seine Frau bittet ihn, auf jeden Fall ein Geschenk (schwer zu erkennen: Brief? Stofftuch?) mit ins Flugzeug zu nehmen. Doch beim Anflug auf einen US-Flugzeugträger entscheidet sich der Pilot anders als erwartet – und springt letztlich schwerverletzt über dem Aokigahara mit dem Fallschirm ab, wobei er verstirbt und im Astgewirr hängenbleibt. Das Geschenk fällt auf den Boden, wo ein Geist es aufhebt: „für immer zusammen“.
Dies ist die erste von zwei Geschichten, wo sich jemand gegen Pflicht/Tradition und für die Liebe entscheidet.
El Trato (Junquera)
Diese düstere, in Schwarzweiß gezeichnete Geschichte ist die eines jungen Pfadfinders, der mit seiner Gruppe durch eine Buspanne im/am Aokigahara liegenbleibt, so daß man beschließt, im Wald bis zum Morgen zu campen. Hier trifft der Junge den Geist seines Vaters. Dieser hatte sich aufgrund beruflicher Probleme im Wald getötet. Auf den Wunsch des Sohnes hin, der Vater möge immer bei ihm sein, sagte dieser, das gehe nur mit einer besonderen Tat des Lebenden. So nimmt das Unheil seinen Lauf, aber der Vater bleibt letztlich bis ins Alter des Sohnes an dessen Seite.
Das ist alles sehr kurz erzählt, sehr „auf den Punkt“ und gerade die Folgen nach der Rückkehr aus dem Wald sind nicht dargestellt.
Yubitsume (Asencio)
Die action-reichste Geschichte mit Auto-Verfolgungsjagd und Schießereien. Ein Junger Mann ist bei einer Mafia-Gruppe in Ungnade gefallen und soll Seppuku begehen. Doch ihm wird bewußt: „¿Qué sabe el corazón de honor?“ (Was weiß das Herz von Ehre?) So brennt er mit seiner Geliebten durch, wird verfolgt, endet mit ihr im Aokigahara. Die Geschichte nimmt für die beiden aber kein gutes Ende.
Shocking News (Mancilla)
Das TV-Format Shocking News stellt Menschen mit Besonderheiten vor. Am Aokigahara trifft das Team auf einen Maler, der „letzte Bilder“ von Menschen zeichnet, die zum Sterben in den Wald gehen. Den gerade noch Gezeichneten möchte man interviewen und folgt ihm in den Wald. In der Folge wird jede der drei Personen aus dem Team mit Momenten der eigenen Biographie konfrontiert. Man findet den gesuchten Mann erhängt. In dramatischen Bildern wird das weitere Schicksal der Drei gezeichnet. Am Ende schickt der Maler ein Porträt des Teams an den TV-Sender…
Fazit: Die Geschichten vom Pfadfinder und dem TV-Team gefallen mir am besten; sie sind auch am Düstersten gemalt. Wenn man den Titel so deutet, daß der Aokigahara seine Schatten in die Welt wirft, wird für jede Einzelgeschichte deutlich, wie sie auf den Wald zusteuert. Inhaltlich werden die üblichen Dinge geschildert: die Suizidanten, die in den Wald gehen; die Geister, die es dort geben soll.
Alles in allem eine schöne Ausgabe für Comic-Liebhaber. Ich kann jedoch persönlich wenig mit diesen kurzen Episoden anfangen.
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