Der Text spoilert den Film!
Immaculate ist so etwas wie Jurassic Park für Arme. Für die Absicht, irgendwie so ein Gore-Fest abzudrehen, muß eine abstruse Hintergrundgeschichte herhalten, die zudem noch wenig überzeugend umgesetzt wurde, weil, wie ich vermute, sich das Team hinter dem Film nicht wirklich mit der katholischen Kirche auskannte.
Zunächst wollte ich den Film mal eben komplett verreißen. Dann fiel mir jedoch auf, daß er im Grunde so B-Movie-artig OK ist. Nett für einmal schauen, wenn man gerade bei Netflix nichts anderes findet.
Die besagte Hintergrundgeschichte ist einfach erzählt: Die Hlg. Helena, Tochter des römischen Kaisers Konstantin, hat in Jerusalem Reliquien von Jesus gefunden, so auch Kreuzesnägel, also Nägel, mit denen Jesus mutmaßlich ans Kreuz geschlagen worden war. Ein Priester oder eine Gruppe (?) in Italien ist von der Vorstellung besessen, man könne aus der DNA, die am vorhandenen Nagel gefunden wurde, den „Erlöser“ quasi neu kreieren, also eine weitere „Jungfrauengeburt“ – und zack – JC ist wieder da.
Die spannende Überlegung jenseits des Films ist: kann man tatsächlich gleichartige DNA aus den verschiedensten, Jesus zugeschriebenen Reliquien ziehen, und dadurch einen Rückschluß auf diese Person? So hat man ja z.B. DNA einer Reliquie, die mit Johannes dem Täufer verbunden und in einer bulgarischen Kirche aufbewahrt wird, untersucht und dabei festgestellt, daß es sich tatsächlich um einen Mann aus dem Nahen Osten gehandelt hat, der auch im 1. Jahrhundert gelebt hat. Das erklärt natürlich nicht, ob es der Täufer war.
(Oder Stichwort ‚Turiner Grabtuch‘. Auch da wurde zwischenzeitlich festgestellt, daß die Fäden des Gewebes vor ca. 2000 Jahren bearbeitet wurden.)
So ist auch das Unterfangen, DNA von Kreuznägeln „abzuschaben“, eher mit einem Schmunzeln zu versehen: durch wieviele Hände ist dieser Nagel (nicht im zweideutigen Sinne) schon gegangen? Da könnte man auch Schweine-DNA dran finden…
Zurück zum Film: Die junge Amerikanerin Cecilia kommt mit dem Wunsch, Nonne zu werden, in ein italienisches Kloster. Angeblich hat sie vorab etwas Italienisch gelernt, aber als man sie bei der Einreise fragt: „Parli Italiano?“, versteht sie das nicht, obwohl man so etwas in jeder Sprache ganz am Anfang lernt. Das ist im Grunde der Moment, wo ich den Film abschalte, mir den Drehbuch-Autor raussuche und auf eine persönliche schwarze Liste setze…
So viele Dinge stimmen nicht in diesem Kloster – und ich meine nicht, daß die Eröffnungsszene die gescheiterte Flucht einer jungen Nonne und deren lebendiges Begräbnis zeigt. Niemand kommt in ein Kloster, um gleich am ersten Tag das Gelübde abzulegen. Davor kommt ein Noviziat, eine Probezeit. Beim Gelübde zögert Cecilia, den Ring des Priesters zu küssen – auch das nicht nachvollziehbar, weil es eine übliche Geste im Katholizismus ist. Oder am Abend, wo die Protagonistin eine andere Nonne in der liegenden, Prostratio genannten Gebetshaltung findet und erstmal hinlatscht, um zu fragen, ob alles OK ist. Das ist einfach nur „immersion-breaking“. Cecilia, die Vorbild-Katholikin, würde diese Gebetshaltung kennen.
Dann erzählt sie dem Diakon, sie sei beinahe ertrunken, ihr Herz habe 10 Minuten stillgestanden. Auch das wieder so ein Quark: ab 5 Minuten geht man von bleibenden Hirnschäden aus. Bei 10 Minuten geht man von irreversiblen Schäden aller Organe aus – aber Schwester Cecilia hat das weggesteckt: Deus Vult!
Überhaupt: Daß Priester oder Diakone (oder Ärzte) im Nonnenkloster wohnen, ist nicht üblich… Weiterhin würde ich vermuten, daß es keine „Wet-Nightgown“-Badeorgien in den meisten Nonnenklöstern gibt. Letztlich mußte etwas Erotik rein in den Film.
Die Schockmomente und auch die Gore-Szenen sind gut, da habe ich nichts auszusetzen. Aber bei manchen Szenen fragte ich mich schon, warum die zwingend mit den Film mußten, z.B. der gegen die Fensterscheibe fliegende, dann sterbende Star.
Wie kommt nun die besagte DNA in die jungfräuliche Cecilia? Man weiß es nicht, aber sie ist plötzlich schwanger. Beim Schauen dachte ich noch: „Klar, im Nonnenkloster ist dann natürlich auch sofort ein Doppler-Ultraschall vorhanden“, aber das erschließt sich ja: Cecilia ist nicht das erste Versuchskaninchen; später sieht sie die (wortwörtlichen) Mißgeburten im „Labor“.
Ich lasse mal viel Geplänkel, auch unter den Nonnen, weg: natürlich wehrt sich Cecilia gegen die Schwangerschaft, versucht eine unbeholfene Abtreibung, die dem Regisseur für ein Blutbad taugt. Im Showdown nimmt sie Rache an den Führungspersonen im Kloster, bringt das Kind zur Welt und tötet es. Ende.
Ach so: bei dem mit dem Skalpell angeschnittenen Bauch wäre m.E. keine natürliche Geburt möglich, ohne daß die gesamte Bauchdecke aufreißt. Hat Cecilia aber gut überstanden…
Ich bleibe dabei: einmal schauen, wenn die Munition der anderen Streaming-Dienste verschossen ist, das reicht.
Und Filmteams würde ich empfehlen, sich einen guten Berater zu holen, damit das, was man auf die Leinwand bringt, auch nach dem aussieht, was man darstellen will.
Rush out.