Zu alt für die Szene? Ein Kommentar

In einem Video ging Orphi Eulenforst der Frage nach, wann und ob man grundsätzlich zu alt für die Szene sein kann. Sie benennt dabei drei Faktoren, die sie diskutiert. Ich möchte das aus meiner Sicht kommentieren.

1. – der Mainstream, der bei zunehmenden Falten und grauen Haaren (der ’schwarzen‘ Person) fragt, ob man denn noch immer ‚Rebellion‘ gegen die Gesellschaft betreiben wolle. Ich sehe das hier etwas anders als Orphi, denn für mich ist die Szene eine Form von Rebellion gegen die Gebräuche einer Mehrheitsgesellschaft, die ja ihrerseits ständig im Wandel ist. Somit ist es ohne Frage, daß mich kein ‚Mainstreamler‘ von diesem Thema ‚Schwarze Szene‘ abbringen könnte – I just don’t care. Aber: für mich ist Szene eben nicht nur Konzerte und Festivals, sondern ein grundsätzliches Lebensgefühl, ein „Anders-Schauen“ auf die bunte Welt ‚da draußen‘. Und: ich trage zwar oft Schwarz, bin aber nicht grundsätzlich als ‚Szene-Mitglied‘ z.B. in beruflichen Terminen erkennbar. Ich mach mein Ding, der Mainstream seins – paßt. Nur: komm mir nicht ins Gehege, Freund!

2. – die jüngeren Gothics, die sich eventuell mit den älteren nicht mehr identifizieren können, also sozusagen Druck von innen, im schlimmsten Fall ein Herausdrängen der Älteren aus der Szene. Meine 2ct: wird nicht passieren, weil die Jüngeren (leider) in der Minderheit sind. Ich kann über die Jahre hinweg nicht erkennen, daß da ein mächtiger neuer Wind in die Szene weht, der bei Älteren tatsächlich zu Fragen führen könnte: passe ich da noch? Die Szene altert gemeinsam und läßt sich hoffentlich nichts dazu sagen.

3.- „wir selbst“ – das sei die wichtigste Gruppe. Wer denke nicht einmal, er / sie fühle sich zu alt für die Szene!? Hier fokussiert sich Orphi sehr auf Äußeres, auf das Zurechtmachen, das Stylen. Will man noch, wenn die Falten das Make-Up blättern lassen, zur Szene gehören? Orphi macht Mut: man sollte sich nie zu alt fühlen etc. Es gebe nicht das ‚richtige Alter‘ für die Szene, man solle sich trotzdem wohlfühlen.

Ich lasse den Part über „Wir sind doch eine Familie“ aus, liegt mir nicht.

Als 3. Punkt hatte ich etwas anderes erwartet: die Künstler. Für wen, für wessen Bedürfnisse machen sie Musik? Die Frage wäre auch spannend gewesen. Gibt es Bands, die über das Älterwerden in der Szene singen? Oder melancholische Songs über das ‚Früher-war-alles besser‘? Hier kann ich mir wirklich einen Konflikt vorstellen, wenn eine junge Band um die 20 sich fragt, wer ihr Klientel ist, für wen sie das machen. Da kann es passieren, auch Orphi spricht das an, daß diese Band Texte für Leute ihres Alters macht – mit den Themen, die dann wichtig sind. Ich kann das immer noch hören, weil diese Zeit in meiner Erinnerung ist, aber sie ist nicht mehr ‚meine Zeit‘. Ja, mir ist es schon vorgekommen, daß ich zu Frozen Plasma’s Murderous Trap beim Tanzen dachte: „Bist du mit weißem Bart nicht zu alt für ’sweet sixteen‘?“ (Und hier könnte man das Thema aufnehmen: Wie schauen alternde Männer auf (junge) Frauen?)

Generell ging es mir im Video zu viel um Styling. Das ist nicht mein Thema –  und das sollte nicht das Thema der Szene sein. (*Rush lächelt* Ja, OK, ich weiß, es ist das Thema der Szene; ich sehe es gerne, wenn jemand toll gestyled ist usw.)

Für mich kann ich ganz klar sagen, wann ich mich zu alt fühlen werde für die Szene: wenn ich nicht mehr tanzen kann. Wenn ich es nicht mehr schaffe, 30 oder 45 Minuten non-stop zu tanzen, ohne Herzrasen, Kreislaufkollaps oder andere Schwächeanfälle zu bekommen. Das ist meine Definition von ‚zu alt für die Szene‘, womit ich natürlich den ganzen Styling-Part ignoriere. Klar, ich suche mir auch bestimmte Kleidung für Events raus – und auch da kann es mal sein, daß Corri-May sagt: Ähhh, bist du nicht zu alt für das Teil?

Irgendwann werden 80-Jährige zu Festivals kommen, und die jüngsten Besucher werden um die 30 sein. Vielleicht hat man sich da mehr zu sagen, als bei 20 zu 60…

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