Dieser Film mit dem deutschen Titel „Der Exorzist: Bekenntnis“ von Regisseur David Gordon Green aus dem Jahr 2023 war hier ja schon Thema (s. Eintrag mit den verlinkten Beiträgen auf der Exorzismus-im-Film-Seite), v.a. kritisch beobachtet bei moderaten Einspielergebnissen. Laut Wikipedia wurde er bei der ‚Goldenen Himbeere 2024′ gleich in fünf Kategorien als ’schlechtester Film‘ nominiert…
So wollte ich mir das Machwerk im Grunde gar nicht antun, I did it anyway. Der Film erhält von mir * von fünf Sternen. „Eigentlich“ gehört er gar nicht in meine Liste, weil er nur einen peripheren Ansatz i.S. des Exorzismus der katholischen Kirche hat.
Der Text spoilert den Film!
Statt im Irak startet dieser Exorzist-Film auf Haiti, wo Victor mit seiner schwangeren Frau das schwere Erdbeben erlebt. Das Baby, Angela, kann gerettet werden, die Mutter, die zuvor eine Art Segnung durch Voodoo-Priesterinnen (?) erlebt hat, stirbt. Meinem Verständnis nach hat dieser Ritus nichts mit dem späteren Auftreten des Dämons zu tun; allenfalls soll das Setting unterfüttert werden: Vater Victor ist Atheist, aber Angela hat eine ’spirituelle Seite‘.
Sprung über 13 Jahre nach Percy, Georgia, wo Victor nun mit Tochter lebt. Angela ist das schon im Vorbericht genannte schwarze Mädchen. Kurz erwähnt: Der Film ist natürlich im aktuellen Hollywood-Stil ‚woke‘. Angela (ich bleibe bei den Charakternamen) wurde vermutlich aus ähnlichen Gründen wie Ellie in der Verfilmung von „The Last of Us“ gecastet: die Person soll ‚unique‘ aussehen, nicht z.B. hübsch.
Das weiße Mädchen, Katherine, wurde im Grunde gecastet, um wie Regan MacNeill aus dem Original auszusehen, sehr einfallsreich! Sie hat im übrigen kaum Sprechtext, ist nur „Dämonenpuppe“. Der Film macht klar: es geht nicht um die Mädchen, sondern um die Exorzisten-Aushilfstruppe, s.u.
Der Polizeieinsatz nach dem Verschwinden der beiden Mädchen nach Ende des Unterrichts ist zu langgezogen, vermutlich weil er platt darauf hinweisen soll, daß die Mädchen Amnesie haben und meinen, nur ein paar Stunden weggewesen zu sein, während es drei Tage waren.
Nun kommt die Phase, in der sich die Besessenheit manifestiert, was mit Angela deutlicher und auch minimal unheimlich dargestellt wird, während Katherine nur einen Gottesdienst sprengt.
Was mir gefällt: früh wird das Thema Besessenheit als Vermutung explizit erwähnt, und zwar von Katherines christlicher Mutter, die darauf hinweist, auch Jesus sei nach seinem Tod in die „Hölle“ hinabgestiegen, von wo er auferstanden sei. Die Mädchen waren drei Tage weg – und es sei etwas aus der Hölle mit ihnen zurückgekommen. Angelas Vater Victor hingegen ist Atheist – und spielt die m.E. schwächste Rolle im Film.
Zwei Stränge führen zum Ende des Films: Zum einen weiß die besessene Angela Dinge über die Krankenschwester Ann (gut gespielt von Ann Dowd), die niemand wissen kann. Sie wollte früher Nonne werden, hatte eine Abtreibung und hat den Ordensweg danach nicht mehr verfolgt. Sie überzeugt Victor, daß da etwas Mächtiges, Böses am Werk ist.
Zum anderen sucht Victor in der Folge Chris MacNeill auf, Regans Mutter aus dem ersten Exorzisten, wieder gespielt von der nun 90jährigen Ellen Burstyn.
MacNeill hat sich nach dem erfolgreichen Exorzismus ihrer Tochter mit dem Thema in verschiedenen Kulturen befaßt. Hier kommt der anti-kirchliche Strang erstmalig deutlich zum Tragen, für den der Film kritisiert worden ist. Beim Mini-Exorzismus später vorab zum eigentlichen Ritual sagt sie z.B. „In the name of all holy beings…“ Aber eine größere Rolle war für die 90-Jährige wohl zu anstrengend, so daß sie mal eben von Katherine außer Gefecht gesetzt wird und das spätere Ritual per „Seelenverbindung“ aus dem Krankenhaus erleben darf… Man kann das klar benennen: Burstyn und später Blair sind da nur drin, um Vorschußlorbeeren für Green zu erwirtschaften.
Angefragt wird nun als erstes der Priester Maddox, aber MacNeill macht Victor klar: er müsse „people together“ bringen, der Dämon sei nur in der Gemeinschaft zu bekämpfen. MacNeills Agieren ist logisch nicht nachvollziehbar: ihre Tochter wurde von Priestern der katholischen Kirche exorziert. Natürlich kann man sich dann mit dem Exorzismus in den Kulturen der Welt befassen, aber wenn mal wieder Not am Mann ist, worauf greift man dann zurück? What worked. Es ist schlichtweg unverständlich, warum sie nicht aktiv in die kirchliche Richtung geht, sondern so new-agie rüberkommt. Sie gibt das Setting für den Exorzismus vor.
Grande Finale – die Mädels werden aus dem Krankenhaus abgeholt und in Victors Wohnung Rücken an Rücken auf Stühle gefesselt. Große EKG-Geräte sollen dem am Handy spielenden Zuschauer helfen, den Ablauf zu verstehen.
Nun kommt Priester Maddox, teilt mit, er habe keine Genehmigung von der Kirche zum Exorzismus, und benennt Ann als seine Vertreterin.
Er sitzt er dann draußen im Auto und betet. Das einzige Mal schmunzeln während des Schauens mußte ich, als Victor kurz zu ihm kommt und aufs Haus zeigt: „The fight is in there!“
Es versammelt sich eine Avengers-artige Truppe bestehend aus:
Eltern von Katherine, evangelikale Christen, mit ihrem Gemeindepriester; Victor; Ann als Vertreterin der katholischen Kirche (wohlgemerkt als „gefallene“ Nonne, die ein Kind hat abtreiben lassen); Steward, Freund von Victor, und seine Connection ‚Dr. Beehibe‘, die ‚root work‘ betreibt, eine Art „African American Folk Magic“; MacNeill per „Fernübertragung“ im Krankenhaus.
Ann hält eine selbstaffirmative Rede („I am meant to do it“), startet dann aber nicht mit dem Rituale Romanum, sondern mit dem Benediktussegen, der auch die bekannten Worte „vade retro Satana“ enthält. Dann wechselt sie zu Worten, die an die Einleitung des Rituale Romanum erinnern. Die Besessenen sind agitiert, völlig überzeichnet geschminkt und sehr moderat in ihren Äußerungen – PG-13 mußte wohl eingehalten werden.
Plötzlich kommt der Priester Maddox doch noch hinzu, eine eigenmächtige Entscheidung, die ihn sehr schnell das Leben kostet…
Nun darf Dr. Beehibe den magischen Kampf „grauer Rauch“ gegen „beigefarbenen Rauch“, der den Mädchen entströmt, inszenieren. Bringt auch nicht die Lösung, sorgt aber dafür, daß auch Wicca den Film toll finden können.
Nun wird es schräg: Der Dämon spricht aus den Mädchen – eine darf überleben, man müsse nur wählen, welche. Victor will Angela nicht wählen. In diesem Zusammenhang kommt ein Rücksprung nach Haiti: Nach dem Beben hatte er die Wahl zwischen der Rettung des Kindes oder der Mutter. Jetzt erfahren wir: er wollte seine Frau retten, was mißlang. Angela/Dämon hält ihm nun vor, er habe sie nicht gewollt. Als Erklärungsansatz für die Besessenheit wird geboten: weil Victor seiner Tochter das Halstuch der Mutter weggenommen hatte, das sie mit Katherine bei einem Pendel-Experiment zum Kontaktieren der Verstorbenen verwenden wollte, sei das Ganze schiefgelaufen: nicht die Mutter wurde erreicht, sondern der Dämon.
Während Katherines Vater irgendwann schreit: „Ich wähle Katherine!“, holt Victor besagtes Tuch und hängt es Angela um. Viel Lärm, EKG-Geräte tilten, Katherine tot, Angela überlebt. Finale, oho!
(Ach so, Linda Blair, die Regan-Darstellerin aus dem Original-Film, darf dann zum Ende noch ihre Mutter umarmen. Filmentscheidender Cameo-Auftritt – nicht.)
Exorzismus-Filme sind für mich solche, die Vertreter der katholischen Kirche gegen Dämonen antreten lassen. In den „Honorable Mentions“ habe ich auch andere Gute erwähnt, wie z.B. „Belief – The Possession of Janet Moses“. Doch „Exorzist: Believer“ bzw. sein Regisseur Green setzt alles dran, gegen die Kirche zu arbeiten und die christlichen Einflüsse konsequent zu „unterwandern“, wie es bei Filmstarts.de heißt.
Ich liste das nochmal auf:
- Der Atheist Victor spielt eine tragende Rolle; Sympathieträger
- Ann ist gläubig, wollte Nonne werden, wurde schwanger, trieb das Kind ab, wird nun aber ‚offiziell‘ von einem katholischen Priester als „Exorzistin“ eingesetzt. (Hinweis: der sogenannte Kleine Exorzismus darf auch von Laien gesprochen werden, s. Einleitungsseite)
- MacNeill, deren Tochter von Priestern gerettet wurde, meint nun, daß die (sinngemäß) Riten aller Völker wichtig sind, um gegen Dämonen zu kämpfen. Das ist nicht logisch, weil sie klare Hilfe von einer Tradition erhalten hat.
- Priester Maddox erhält von der Kirche keine Erlaubnis zum Exorzismus, obwohl die Sachlage sehr eindeutig ist. Aussage: die katholische Kirche hilft nicht, wenn jemand sie wirklich braucht.
- Priester Maddox wird vom Dämon innerhalb weniger Sekunden getötet. Aussage: der katholische Ritus allein – gegen die „Gruppenaktivisten“ – erreicht gar nichts.
- Der christliche Vater von Katherine kann nicht widerstehen und „wählt“ seine Tochter zur Errettung aus, wohingegen der nicht mehr ganz so atheistische Victor seine bewußt nicht wählt. Aussage: Christen sind schwach und moralisch labil.
- Nebenbei: der Dämon wird im Film nicht benannt. MacNeill sagt nur sowas wie: Wir kennen uns ja…
- Zuletzt dann die End-Ansprache von Ann, in der sie betont, der Teufel wolle das menschliche Leben zerstören, aber man könne sich entgegenstemmen und Frieden finden, indem man „blessings all around us“ findet. Dieses „Immer weiter!“ sei das, was „God – any God – any good person wants from us“. Das nennt sie „to believe“, also eine eher psychologische Resilienzansprache, die die Christin Ann noch zum Abschluß auf eine interreligiöse Ebene hebt.
So ein Film kann nur in der aktuellen Filmindustrie als „Fortsetzung“ der Originalfilme verkauft werden. Gibt es etwas Gutes zu sagen? Ja, Kameraführung und generell die visuelle Inszenierung sind wirklich gut.