Dunkles Spiel

Dunkles, fremdes Zimmer,
flackernder Kerzenschimmer,
dessen Schein im Stillen sich in Schatten bricht,
dort, wo eine Frau Beschwörungsformeln spricht.

Ihre schlanken Finger liegen
einem kleinen Glase auf. Verschwiegen
starrt gebannt sie auf den Kreis
ausgelegter Buchstaben in reinem Weiß –
und auf ihre leise hingehauchte Bitte
fängt das Gläschen gleichsam leise in der Mitte
jenes Tisches an zu rücken, und geheimnisvoll,
unaufhaltsam, unheilvoll,
schreibt ein Wort es zum Erkennen.
Plötzlich schmerzt in ihren Augen sie das Brennen,
eisig ist der Schauer, der das Böse ihr verheißt –
denn sie kennt nicht diesen Namen, kennt nicht diesen Geist!

Innehält das Glas, der Ruhe unsichtbare Spannung knistert
und die Frau in kaum beherrschter Furcht nun flüstert,
fragt, wer er im Namen Gottes sei.
Eine bleiche Ahnung drängt mit Schmerz herbei.

Mit dem ‚S‘ beginnt das Glas in raschen Zügen ohne Zweifel,
‚welch ein Glück‘, denkt sich die Frau, ‚mitnichten ist’s der Teufel!‘
Bebend fragen ihre Lippen: ‚Ob ich ihn wohl kenn‘?‘
Ruhig schreibt das Glas ihr: S – a – t – a – n.

[© Rush / V. Wagner]

 

{Das soll sich in den späten 1980ern in einem kleinen Ort am Mittelrhein so zugetragen haben, erzählte mir eine Frau, die ihre Hand an besagtem Glas hatte. Wer bewegte das Glas? Diese in allen Horrorfilmen so spannende Frage: hier konnte sie nicht beantwortet werden, die drei Frauen brachen das Experiment ab.
Der Ursprungstitel des Gedichts war „Einen kenne ich“ in Anlehnung an die erste Zeile aus Clemens Brentanos Gedicht „Der Feind“.}

Spiegelbild

Ich gebe dir dein Essen,
du lächelst.
Du gibst mir Liebe,
mein Gesicht schmerzerfüllt.
Wir essen gemeinsam,
lieben uns nicht.
Doch was heißt das schon?

Nur Möglichkeiten in lachenden Augen gesehen.
Schwere Zukunft, wie Ihre Stimme, sanft.
Leuchtend, eine helle Wolke über grauen Dächern,
schattenlose Zukunft für kurze Zeit.
Langsam zieht sie weiter, dahinter
Schwärze, schier endlos.
Unter ihrer Führung muß ich leben,
mein Spiegelbild, das Rush anlächelte,
als er vergaß.

[© Rush / V. Wagner]

Nach Hause (Zweig)

Längst ist kein Lichterglanz mehr wach;
Im Nebelmeer versunken
Sind Turm und Häuser, Dach für Dach. –
Nur wir allein ziehn sehnsuchtstrunken
Dem gold’nen Venussterne nach.

Der führt uns dunklen Wegen zu
In zärtlichem Begleiten. –
Das Herz blüht auf von Glück und Ruh …
Das Ziel, dahin wir selig schreiten,
Wir ahnen’s beide, ich und Du …

[Stefan Zweig]

Salzburg

in memoriam Georg Trakl
Salzburg.

Ankommen mit ertrunkenen Träumen, gedemütigt.
Im Regen erscheint die Stadt
wie ein aufgerissenes Maul,
das uns hineinzieht. Dich zuerst.

Erspüre ich auf nassem Pflaster
zeitlos versunkene, einstige Schritte?
Sein Haus leuchtet mir ein heller Stern.
Hinter verschlossener Pforte
brütet Einsamkeit in weltflüchtigen Visionen.

Lenke durch dunkle Gassen meine Schritte –
zuviel Leben, verhökerte Pracht, verscherbelter Glanz.
In düsteren Cafés sitzen Männer und Frauen
an Tischen bei dampfendem Kaffee.
Wortlose Unterhaltung.
Doch flammt kein Fluch in ihrer Augen Begehren.
Töte, wenn auf stillen Plätzen
die Zeit deinen Tanz verspottet.

[© Rush / V. Wagner] Salzburg weiterlesen

November am Rhein (Gedicht)

… ein Gedicht von Ingeborg Wiesmath-Binge

Nächte, die voll Nebel sind;
Tage, da der Regen rinnt;
Kinder, die am Fenster sitzen;
Autos, die durch Pfützen spritzen…
Sturm fegt über leere Felder,
Blätter wirbeln durch die Wälder.

Sonne wärmt den Schieferstein,
Doch gelesen ist der Wein,
Und es trocknen schon die Reben.
Überall entflieht das Leben.
Strom und Wolken ziehn vorüber…
Hol über, – Fährmann -,
Hol über!

Quelle: Heimatjahrbuch Neuwied, 1972

Ging durch gefrorenen Wald

Wald, mit dir wieder einmal zur Zwiesprach allein
und wie ein Baum inmitten der Brüder zu sein.
(Josef Weinheber)

Ging durch gefrorenen Wald.
Der Boden wies meine Schritte ab.
Füße zertraten Äste
und dieser Lärm verscheuchte
den Traum von Natur,
den ich vorsichtshalber mitgenommen hatte. Ging durch gefrorenen Wald weiterlesen

es funkelt von deinem Ohr der Tod

es funkelt von deinem Ohr der Tod
du lächelst, ich wende mich ab – eine Fleischwunde
rot, naß, pulsierend
pochendes Leben
neben alltagsblasser Narbe
Bekannter Schmerz
Re-location
Nebelwald, Kohlenmeiler, Klaustrophobie
langsames Verbrennen, geschlossene Augen, Zittern –
Transformation zu Höherem und Lichterem?
Ach, wozu?
im warmen Dunkel deiner Nähe
im Abgrund deiner Schwärze
hinaufgezogen
im sanften Blinzeln deiner Zeit
es funkelt von deinem Ohr mein Leben

[© Rush / V. Wagner]

Kein Kampf heute nacht…

Castrum Nigra 2019

Kein Kampf heute nacht,
keine Schlacht,
es bleibt ruhig,
die Glocken schlagen für Gläubige,
Schienen führen den blinden Zug zum Ziel.
Vergebliches Leben,
ohne Besessenheit, ohne Ekstase.
Leere Schritte, taumelnd,
kein Geist gegeben.
Ein Traum, der verfiel
in kühler Bläue und
lasziver Lust in den Augen der Stadt. Kein Kampf heute nacht… weiterlesen

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