Sterbemoment

Ich wollte mir seit Monaten eine schwarze Jeans kaufen, weil man ja ab und an auch eine passende Hose für Beerdigungen braucht; endlich kaufte ich sie mir am Samstag, 4. April 1998.
Am Wochenende darauf war Ostern. Ich fuhr von Düsseldorf die 125km in meine Heimat. Meine Oma, 88 Jahre alt, lebte seit einiger Zeit bei meinen Eltern, weil sie pflegebedürftig war. Wir saßen beieinander, als die Kirchenglocken gerade zum Mittag des 13. (Ostermontag) läuteten (das Angelus). Oma sagte sinngemäß, sie höre ja seit Tagen kein Totenläuten mehr, es sterbe wohl gar niemand mehr.

Das nächste Totenläuten der Glocken, also die Verkündigung eines Sterbefalls, war für sie.

In der Nacht von Dienstag, 14.4., auf Mittwoch, 15.4., hatte Oma Schmerzen, ‘Herzprobleme’, sagte meine Mutter später.
In dieser Nacht schlief auch ich unruhig und wachte plötzlich auf: ich hatte das absolut  intensive Gefühl einer wesenhaften Anwesenheit in meinem Schlafzimmer. An der Schwelle von Traum zum erschrockenen Aufwachen sah ich eine weiße Gestalt im Zimmer, ohne zuordnen zu können, ob das noch geträumt oder mit Wachbewußtsein wahrgenommen war (- vermutlich genau im Übergangsbereich). Worte können diese ‘Präsenz’ nicht beschreiben: sie wahr fühl- und erlebbar. Ich hatte Angst, mächtige Angst, Gänsehaut nonstop, ließ dann das Licht an und schlief erst viel später noch einmal ein.

Am 17.4. verstarb Oma; zur Beerdigung am 21.4.98 konnte ich die zwei Wochen zuvor gekaufte Jeans tragen.
Meine Oma war mir, wie ich in einem zukünftigen Artikel schreiben werde, innigere Bezugsperson als meine Mutter. Ein festes Band verknüpfte uns. War es möglich, daß sie um den baldigen Tod wußte, und im Kampf mit dem Schmerz so intensiv an ihren “einzigen Enkel” dachte, daß ich ihre Präsenz über 100km entfernt wahrnehmen konnte?

Warum erzähle ich das heute? Weil ich gerade im ziemlich genialen Haunted-House-Roman von Riley Sager, ‘Home before Dark‘, etwas sehr ähnliches gelesen habe, das diese Erinnerungen wieder hervorgeholt hat. Protagonistin Maggie fragt ihren Mitarbeiter, ob er an Geister glaube. Nein, er glaube nicht daran, aber doch, daß “Dinge passieren”. Dann beschreibt er dies: Als Junge schlief er in einem abgelegenen Raum des Hauses…

“But then one night in October, I woke up to the sound of my bedroom door being opened. I sat up in bed and saw my  grandmother poke her head into the room. ‘I just wanted to say goodnight, Boy-O,’ she said. (…) I checked the clock on the nightstand. It was one thirty-two a.m.
In the morning, I went downstairs and found my parents sitting at the kitchen table. (…) My grandmother had died during the night. At exactly one thirty-two a.m.”

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