Sonntagabend, verklingend

Orange, Nacht
Nacht in Orange

Sonntagabend
verklingend.
Auf einem Parkdeck über der Stadt
in der Leere dunklen Geistes.
Wind streicht durchs Haar, zärtlich,
unter Laternen, die für niemanden leuchten.

In schwarze Wolken reichen
feingliedrige, freundliche Antennen,
selig empfangend,
und Fernseher glühen hinter
prüden Gardinen
kleiner, gelber Fenster.
Menschen, dort versunken,
eingepfercht.
Der Besuch wird nicht kommen,
die Erlösung ist noch nicht bezahlt.

Morgen früh beginnt
die zeitlose Gegenwart,
den Schrecken der Zukunft
aus bleichen, müden
Gesichtern zu kratzen.
Fast schon erotisch,
wie der Wind die Zigarette verschlingt,
verheißungsvoll.
Zitternd.

© Rush AKA V. Wagner


{Ich – sie – wir, das ist das Thema. Im ersten Absatz schreibe ich über mich; im zweiten geht es um die Menschen hinter den Gardinen. Der dritte, obwohl vage formuliert, verbindet diese ‘Eingepferchten’ mit mir. Ebenso reicht die ‘nicht bezahlte Erlösung’ aus dem mittleren Absatz in den letzten hinein: das ‘Zittern’ und der ‘Schrecken der Zukunft’ verweisen darauf. Das betrifft ‘sie’, wie auch mich. So unterschiedlich wir sind: ‘es’ trifft uns jeder auf seine Art. Aber bei ihnen ‘glüht’ nur der Fernseher, während mir der Wind zärtlich durchs Haar streicht und ‘fast schon erotisch’ die Zigarette verschlingt – warmes, orangefarbenes Licht, das eine Andeutung von Hoffnung sein mag. Die Begriffe ‘Besuch’ und ‘Erlösung’ erklären sich aus vielen verschiedenen Texten, die man in Folge lesen müßte, daher hier kurz: der ‘Besuch’ ist der personalisierte Tod.} 

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