Payne: Intercepts (Roman)

T.J. Payne – Intercepts. A Horror Novel (Kindle)

Wenig Spoiler…

Payne schreibt gut, strukturiert, flüssig – ich komme gleich in den Lesefluß rein. Keine überflüssigen Details, keine ausufernden Beschreibungen von Nebensächlichkeiten à la King: der Autor kennt seinen Romanablauf und arbeitet Schritt für Schritt daran. Das gefällt mir. In der Autorenbeschreibung bei Amazon heißt es: “His writing style relies on a light touch, using lean, smooth prose to build and maintain the story’s intensity.” 

Protagonist Joe Gerhard leitet eine unterirdische, geheime Einrichtung in den USA, wo Menschenversuche stattfinden. Die Personen sollen – ich nenne das mal so – telepathische Fähigkeiten (‘out-of-body experiences’) zur militärischen Nutzung entwickeln. Aber wie bei allen als perfekt konzipierten und überwachten Abläufen, kann es zu Fehlern kommen. Hier  ist es die unerwartete Aktion der benutzten Personen.

Auf der Metaebene geht es natürlich um moralische Fragen, um das Thema Folter, um für den Staat wichtige Informationen zu erlangen. Gerhard sieht sich auf der ‘middle management’ Ebene, er weiß nicht einmal, wer ihn bezahlt. Er schuftet hart, ohne Fragen zu stellen – und tappt in eine Falle.
Natürlich scheint die Antwort auf solche Fragen vom Autor vorgegeben zu werden: wer sich an Menschen in dieser Weise vergeht, wird durch die Rache der Mißhandelten geschädigt – und möglicherweise von seinem Arbeitgeber. Aber darüber noch hinausgehend wird die Frage thematisiert, wie inhuman können eine Gesellschaft, ein militärischer Apparat und die Führungspersonen darin sein. Man fragt sich: was ist in der Welt denkbar? Was geschieht, ohne daß die Öffentlichkeit davon Kenntnis hat?

Der Plot dieses Romans, der von der Länge her eher Novelle ist, ist klar aufgebaut, bietet einige Twists und eine Überraschung auf den letzten zwei Seiten.
Letztlich wird hier der Terminus ‘Horror’ wieder im allgemeinen Sinn, also auch “schlichte Grausamkeiten” umfassend verwendet. Die Splatter-Szenen, das mag ich Payne ankreiden, sind etwas überzogen, wenn Verletzungen geschildert werden, für die man eigentlich (nicht vorhandene) Hack- und Schneidwerkzeuge braucht.

Mit dem Urteil zögere ich ein wenig: handwerklich kann ich kaum etwas kritisieren – so mag ich Romane. Inhaltlich wird eine amoralische Weltsicht beschrieben, in der für die Staatsräson getötet und gefoltert wird. Ein Lösungsansatz wird weder geschildert, noch ist er denkbar. Selbst das ‘happy end’ für eine Person muß hinterfragt werden, da sie an der “langen Leine” in den Fängen des Systems bleibt.
An einem Punkt der Geschichte, der aber doch zentral dafür ist, wie der Roman endet, habe ich mich gefragt, warum sich der ‘buckelnde’ Gerhard nicht an seine Vorgesetzten gewandt hat, als eine Eskalation drohte.

Vielleicht ist es am ehesten so, daß man die fließenden, glatten Beschreibungen, das mühelose Abarbeiten/Durchlesen der Plot-Schritte, den “Lesegenuß” reflektieren soll vor dem Hintergrund des Geschilderten. Dann wäre der Roman auch als eine Art Weckruf zu verstehen: Seht, was hinter dem Sichtbaren an Unfaßbarem geschieht. Somit kann man auch im Hinblick auf die Rolle Gerhards, des Leiters der konkreten Einrichtung, sagen: wer für dubiose Arbeitgeber tätig ist, dabei seine Familie, seine Tochter vernachlässigt, der hat es nicht anders verdient…

“Intercepts” kann ich dennoch uneingeschränkt für ein regnerisches Wochenende empfehlen.

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