Jackson – The Haunting of Hill House (Buch)

„Silence lay steadily against the wood and stone of Hill House, and whatever walked there, walked alone.“

Shirley Jacksons „Haunting of Hill House“ ist einer der Klassiker der Horrorliteratur, obwohl das Werk schon einige Jahre auf dem Buckel hat (1959). Das wiederum merkt man der Sprache im englischen Original an, die z.T. altertümlich wirkt und nicht immer flüssig zu lesen ist. Andererseits hat Jackson ein feines Gespür für den Ablauf und das Verfassen von Dialogen, so daß eben doch ein lebendiger Text entstanden ist.

Wir erfahren zu Anfang, daß Dr. Montague untersuchen möchte, wie sich ein als Spukhaus verstandenes Gebäude auf Gäste, die dort leben, auswirkt. Er lädt verschiedene Personen für einen dreimonatigen Sommeraufenthalt ein, zwei Frauen (Eleanor & Theodora), die bereits früher mit paranormalen Phänomenen konfrontiert waren, und Luke, einen Vertreter der Eigentümerfamilie.

Auf alle hat das Haus als solches bereits eine unangenehme, bedrohliche Ausstrahlung. Dr. Montague erzählt am ersten Abend die Geschichte des Hauses, die des Erbauers und seiner später zerstrittenen Töchter. Das Ehepaar Dudley, sie Köchin, er Hausmeister, fungieren wie Grenzgänger, die roboterhaft im Haus agieren, es aber jeden Abend vor der Dunkelheit verlassen. 

Eleanor kann man wie eine ängstliche Prinzessin verstehen, die noch nicht die ‚böse Welt‘ da draußen erlebt hat. Sie lebt in einem Zimmer bei Schwester und Schwager. In ihrer Kindheit hat sie ein Poltergeist-Phänomen erlebt.

Theodora hingegen erscheint wie ‚mit allen Wassern gewaschen‘, eine extravertierte Person, die telepathische Erlebnisse mit ins Hill House bringt.

Unklar ist allen: was ängstigt die Menschen am Haus? Dr. Montague meint: „The evil is the house itself, I think. (…) It is a place of contained ill will.“ Das dürfte es gut treffen… 

Für mich ist das ein anderer Ansatz, als ich ihn bei Spukhäusern erwarte: ich vermute immer eine Wesenheit in einem solchen Haus, z.B. einen Geist, aber nicht den Umstand, daß das Gebäude als solches wie ein lebender Organismus für die Spukerlebnisse der Besucher verantwortlich ist. So sind die ersten Dinge, die die vier im Haus erleben, sich von selbst schließende Türen, nicht genau einer der beiden Sichtweisen zuzuordnen. Wenn in den Nächten dann Lärm und hartes Klopfen an Türen zu hören ist, verbindet sich das für mich mit Geistern, nicht mit der Haussubstanz. Kälte ist ein weiteres Phänomen – eine kalte Stelle über eine Türschwelle sowie generelle Kälte, die einen ganzen Raum ausfüllen kann – eher wieder das Haus als solches.

Doch die vier Besucher sind weniger verängstigt nach den ersten Nächten als vielmehr aufgeregt, gespannt. Dr. Montague nimmt es wahr und fragt sich, ob es ein „spell“ ist: das Haus scheint ein ‚probing‘ durchzuführen: auf wen kann es am ehesten einwirken?
Spannend des Professors Aussagen zu Geistern: Der Poltergeist sei auf der niedrigsten Stufe, reine Energie, die physische Objekte manipuliere. Niemals habe ein (höherer) Geist einen Menschen körperlich verletzt, ja, es sei sogar so, daß ein Geist den Verstand nicht angreifen könne, weil der bewußte, denkende Verstand „unverwundbar“ und unangreifbar sei. Das ist schon eine Hybris, so dachte ich beim Lesen…

Eleanors oft wiederholter Satz „Journeys end in lovers meeting“ scheint programmatisch für das Fortschreiten der Handlung, denn das Haus reagiert zunehmend speziell auf sie, so wenn Schrift auftaucht, die sie auffordert, nach Hause zu kommen.

Man spürt bald, daß es starke Parallelen zwischen den Töchtern des Erbauers und Theodora und Eleanor gibt – so ein beginnender Haß Eleanors auf die andere. Zudem lebte die ältere der Töchter später mit einer Frau aus dem Dorf in Hill House. Die Vorwürfe, die das Dorf gegenüber dieser Frau erhob, sie habe die Tochter nicht gut bis zum Tod gepflegt, haben klare Parallelen in Eleanors Biographie. Sie ist im Grunde eine weitere Frau „von außen“, die auf Resonanz im Haus stößt.

Mit dem Schlüsselwort „surrender“, das Eleanor in einem langen Monolog eher unbewußt spricht, beginnt die Schlußphase ihres Aufenthalts in Hill House.

AB HIER nur noch weiterlesen, wenn SPOILER OK sind…


 

Am Wochenende kommt Mrs. Montague mit ihrem Fahrer Parker hinzu, die das Thema Planchette / Ouija-Board mit ins Haus bringen. Erste Ergebnisse: eine Nonne wird erwähnt, ein Name (Helen, Helene, Elena = Eleanor), ein Mönch. Wenn es um eine lebendig eingemauerte Nonne geht, so ist das eine klare Parallele zu Eleanor, die sich in der Pflege ihrer eigenen Mutter (wie die Dorffrau zur älteren Tochter) eingesperrt gefühlt hatte. Die Nonne und der Mönch sind somit Bilder für „a-geschlechtliche“ Wesen, die in die Welt gestellt sind, ohne das ‚andere Geschlecht‘ kennenzulernen. Eleanor sagt von sich: „I“ve never been wanted anywhere.“

Hier, im Hill House hingegen, spürt sie, wie das Haus sie hineinzieht, sie „begehrt“. Sie gibt ihren Geist auf, ergibt sich dem Drängen des Hauses: „Whatever it wants of me it can have.“

Mother, home, come along – es sind eigene Dispositionen in der Person Eleanor, auf die das Haus anspringt. Eleanor, so kann man sagen, ist aufgrund ihrer psychischen Disposition das perfekte Opfer. Sie verschmilzt mit der Hausidentität: „She could hear (…) the dust drifting (…), the wood aging.“

Als sie immer seltsamer wird und den anderen erklärt, sie sei „zuhause“, sie möchte bleiben, schickt Dr. Montague sie zu ihrem eigenen Schutz fort. Die Abfahrt endet tragisch.

Doch der letzte ‚Schlag‘ gegen Eleanor ist grausam: während das Haus ihr Einheit, eine ‚homecoming experience‘ suggerierte, ist ihre letzte, zu späte Einsicht: „Why am I doing this?“

Und Jackson schreibt nüchtern: „and whatever walked there, walked alone.“ Auch im Tod gibt es keine Einheit, keine Erlösung, kein Eintauchen in das Haus.

Damit ist die Aussage des Dr. Montague über die Nicht-Angreifbarkeit des „gesunden Menschenverstandes“ ad absurdum geführt.

Ein Meisterwerk, nicht weniger.

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