Warum steige ich Ü50 in so ein Blog ein? Keine (vorgefertigte) Antwort, aber Gedankenfutter fand ich im Vorwort zum dritten Gothic-Band von Peter Matzke und Tobias Seeliger (Berlin, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2006). Da heißt es:
„Die Gothic-Szene ist zu einer postadoleszenten Bewegung geworden (…) Das Beharrungsvermögen des durchschnittlichen ‚Grufties‘ in ’seiner‘ Szene ist länger, viele kommen irgendwann in ihren Sinnsucherjahren hinein – und bleiben (vielleicht, weil sie festgestellt haben, dass die Sinnsucherjahre nie aufhören…) (…) Gothic ist keine temporäre musikalische Welle, keine schnelle Mode – (…) Das Gothic-Movement hat aufgehört, eine Jugendbewegung zu sein.“
Zunächst: Ja, ich bin so ein Sinnsuchermensch. Das werde ich bis zu meinem Tod sein – und das hat schon für viele Wandlungen und Augenbrauen-Hochziehen bei meinem Umfeld gesorgt. Und immer noch finde ich in den Texten, in der Musik, im Erscheinungsbild der Schwarzen Szene etwas, das genau zu mir paßt (nicht immer, aber immer wieder). Kritikern spiele ich dann Head like a hole vor. 😉
Trotzdem ist die Entwicklung der Szene auch problematisch, gerade weil die Menge an jungem Nachwuchs fehlt – und Leute Ü60 oder älter nicht mehr regelmäßig in Clubs oder zu Konzerten gehen. Der Altersaufbau der Szene wird dann irgendwann einem Pilz gleichen: unten dünn gestielt, oben breit, moosbewachsen – und zum Kippen geneigt.
Und wenn „die Jugend“ nicht in die Szene nachrückt, dann fehlen auch die jungen Künstler, die Motoren der Szene. „Where is the youth?“ muß man mit Nitzer Ebb fragen.
Ich werde das Thema zum Teil in meiner „persönlichen Musikgeschichte“ aufgreifen, aber vorweg: „die Szene“ hat meines Erachtens ihre (besten) intensivsten Zeiten hinter sich. Die große Zäsur würde ich bei der Crossover-Welle ab der zweiten Hälfte der 90er ansetzen. Das Etikett „schwarz“ blieb, aber nun hatte man Methörner in den Händen. Und niemand brauchte „neue deutsche Härte“ – nun ist sie da und die „neue deutsche Todeskunst“ liegt im Grab.
Ich merke, daß ich da an mir arbeiten muß. Mir junge Künstler, die jetzt wieder Old School Dark Wave machen, gezielt suchen muß. Zu solchen Konzerten fahren muß. So toll die großen Festival-Happenings im Sommer sind: da pulsiert die Szene nicht. Just my 2ct.
Zum Abschluß noch ein Zitat von Ecki Stieg aus dem o.e. Werk von Matzke/Seeliger:
„Der alternde Mittvierziger New-Wave-Sack schwelgt beim Hören der And-One-Version von The Cure’s ‚Love Cats‘ in Erinnerungen, die er nicht mehr ansatzweise rekapitulieren kann, der 14-jährige Jung-Gruft hält dies für die Wiege des Synthi-Pops. Gute Nacht.“