Noch vor zwei Tagen habe ich das Thema kurz aufgegriffen, heute morgen lese ich bei Spontis einen Beitrag von Gruftlord zum Thema „Sterben der Szene“.
Er sieht „Hedonismus als Selbstzweck“ als einen Grund für die Zerfallserscheinungen, womit er eine Selbstdefinition nur über Äußerlichkeiten meint – Bekleidung wird zum Kostüm, es wird „Mummenschanz“ betrieben – was von den einschlägigen Magazinen durch Ablichten genau dieser Personen à la „Hier trifft sich DIE SCHWARZE SZENE“ aufgegriffen wird.
Andererseits wertet der Autor Cybergoth oder Steampunk positiv, da sie die Szene „lebendig halten“.
(Nebenbei: sein Eindruck, es werde immer mehr nackte Haut gezeigt, kann ich aus meiner Wahrnehmung nicht bestätigen; ich meine, da ändert sich gesellschaftlich wieder etwas hin zu mehr „Verklemmung“ (oder Angst vor Übergriffen).)
Gruftlord appelliert an die Szenegänger, „Leidenschaft“ zu leben, Sinnsuche zu betreiben – und das im Kreise gleichgesinnter, eben nicht oberflächlicher Menschen.
Ich würde noch folgende Überlegung anschließen wollen: die schwarze Szene steht nicht isoliert, sondern ist Teil einer sich verändernden Gesamtgesellschaft. Sie „paßte“ – im Rückblick – besser in die 80er und 90er. Ich erlebe in meinem Umfeld einen Rückzug ins Private, auch eine Form von Hedonismus: die Welt ist so schlecht, kommt doch mal auf einen kühlen Wein rüber. Umgekehrt „brezelt man sich dann auf“, wenn man weggeht – auch auf Feiern zur silbernen Hochzeit. Während man früher mit relativ normalen Anzügen und Kleidern auf einen Abschlußball oder eine Abi-Feier gegangen ist, sind das heute model-artige, sehr amerikanisch wirkende, hoch-elegante Kleider (Kostüme), die viel Haut zeigen. Habe ich selbst bei einer wenig feierlichen Abschlußveranstaltung einer Realschule schon gesehen. Wenn ich dann meine beiden Söhne sehe (19 und 21), dann ist da nix mit spezieller Subkultur oder so: schick und durchschnittlich gekleidet – und mit Fremdscham, wenn Mama und Papa „zum Festival fahren“.
Dieses von Gruftlord beschriebene Hedonismus-Element ist nicht mehr wegzubekommen, weil es eine andere, zwar materielle, aber doch geistige Veränderung (in) der Szene darstellt. Somit ist das eine schwerer faßbare Veränderung als konkrete Kleidungsstile. Und da meine ich, ist es eine gesellschaftliche Entwicklung, die in die Szene „schwappt“.
Beim M’era Luna war eine junge Frau, die sich am Sonntag in ein schickes, hellgrünes, bodenlanges Kleid aus Bali gezwängt und sich Elfenohren aufgesteckt hat. Mit sehr professionellem Make-Up spazierte sie dann zwei Stunden übers Gelände in der Hoffnung, sie werde fotografiert.
Tage später postete sie auf Insta ein Bild von ihr in einem Dirndl-ähnlichen, knallroten Kleid, worin sie zur großen Partynacht im Ort gehen würde. Sie erzählte mir, daß sie im kommenden Jahr bei einem Country-Festival sein werde – und ich bin mir sicher, daß sie auch dafür wieder ein korrektes Outfit haben wird.
Genau dieses „Sich-nicht-festlegen-Wollen“ scheint mir dominant bei jungen Leuten zu sein.
Und hier stimme ich Gruftlord zu: Wenn die schwarze Szene attraktiv bleiben soll, muß sie TIEFE bieten – in der Hoffnung, daß „schwarze Geister“ davon angezogen werden – und bleiben. Rush out.