Der Rush hat sich ein Teenie-Franchise angeschaut und gibt seinen Kommentar ab. Wer’s mag… liest hier weiter 😂
Ach so: IHR™ kennt ja alle Filme, daher spoilere ich hemmungslos.
Hinweis: Ich habe 4,5 von 5 Filmen gesehen; beim letzten war ich einfach schon „raus“.
Ich dachte, daß Twilight doch so eher klassische Vampir-Thematik ist (weder Romane gelesen, noch Filme bislang gesehen), zwar in der Moderne, wie in Let the Right One In, aber, nun ja, ich war nicht darauf vorbereitet, daß das so eher Märchenfilme sind.
Somit fand ich Film 2 mit Vorstellung der Werwolfthematik um Jake langatmig bis öde, auch weil ich mich fragte: boah, muß das? Junge Frau wird gleich mit Vampiren und Werwölfen konfrontiert? Was bleibt da noch? Vogelmenschen? Intelligente Spinnen? Oder gar Amazonen? *lol*
Sehr schön wird das herausgearbeitet, was den Zuschauern aus der Gothic Peer Group gefallen dürfte: die Vampirfamilie, eher eine „Wahlfamilie durch Biß“, ist wie die Schwarze Szene: eine etwas elitäre Vergesellschaftung verschiedener Individuen in Abgrenzung von anderen Gruppen oder dem Mainstream. Da wird durchaus ein Identifikationspotential in diese Richtung geboten.
Die Kritik z.B. von Angehörigen / Freunden daran, daß eine Person Teil der Düster-Szene ist oder wird, äußert auch Jake im Film, wenn er zu Bella sagt, besser sie wäre tot als „eine von denen“.
Sehr bewußt ist mir die „Keuschheit“ von Edward und Bella aufgefallen, das langsame Herantasten an den Anderen, das Grenzensetzen. Kein „One-Night-Stand“, keine Lüsternheit (ok, außer beim Thema Blut) – und letztlich ist (war mir) lange Zeit unklar, ob Vampire überhaupt Sex haben können. Edward hat einen aristokratischen Zug, insbesondere wenn er über das Werben um eine Frau (zu ’seiner Zeit‘) spricht und Bella den Ring schenkt. (Siehe dazu die Abschlußgedanken weiter unten.)
Aber diese Keuschheit darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Beziehung Edward – Bella schon einen recht toxischen Einschlag hat – gerade auch im Hinblick auf die sich durch die Geschichte hindurchziehenden Anspielungen auf Suizid (die Romeo-und-Julia-Thematik, Edward in Volterra, Bellas Klippensprung…). So diskutiert Goeli Saedi Bocci bei Psychology Today die Frage, inwieweit das Stockholm-Syndrom auf die Liebesgeschichte zwischen Bella und Edward zutrifft. Interessant hierzu auch der Artikel bei Reddit, wo die Vampire als Metapher für Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit gesehen werden.
Diese Keuschheit in Verbindung mit dem Aristokratischen könnte man auch als starken traditionalistischen Zug im Franchise deuten. In der Abschlußrede an der High School ist davon die Rede, jetzt sei die Zeit zum – auch mehrfachen – Verlieben, jetzt dürfe und müsse man Fehler machen, sich ausprobieren. Nichts davon zwischen Edward und Bella. Er hält ganz förmlich um ihre Hand an, verweigert Sex vor der Ehe usw. Für Bella ist er „der Eine“ – ohne Ausprobieren anderer, wozu sie mit Jake die Möglichkeit hätte.
„Veggie-Vampire„: die „edlen“ Cullens sieht man nie blutig-dreckig beim Genuß von Tieren. Dieses „Ich muß jagen gehen“ wird nie umgesetzt – sie bleiben die „Saubermänner“ (und -frauen) in den Filmen. Schön sieht man das bei Bellas erster Jagd im blauen Kleid: Mal eben einen Puma vernaschen – die blaue Farbe des Kleides leuchtet weiterhin ohne den kleinsten Rotanteil. Jeder Waschmittelhersteller würde über so eine „Reinheitsformel“ erfreut sein.
Bella wird bewußt als starke Frau zwischen zwei Männern aufgebaut, auch wenn sowohl Edward als auch Jake an bestimmten Punkten der Geschichte beschließen, sich von ihr abzuwenden. Ihr Entschluß, Vampirin zu werden, steht früh fest. Ebenso provoziert sie ihr „Glück“, spielt mit ihm, z.B. durch den Klippensprung, um Edward wieder zu sich zu holen. Letztlich rettet sie Edward in Volterra – sie weiß, wen und was sie will. Manchmal kommt mir hier eine Reflexion dessen zu kurz, was sie aufgeben muß: ihre Menschlichkeit.
Victoria: Diese Hintergrundgeschichte um die Bedrohung Bellas weil der Partner von Victoria getötet wurde, ist fade. Das dient im Grunde nur dazu, die Geschichte um die „Armee aus Neugeborenen“ aufzubauen, gegen die Vampire und Werwölfe aus Forks in die Schlacht ziehen.
Apropos Forks: Ich mag die Optik der Filme, die Farbgebung, die Kameraführung sehr. Weitaus besser als ich erwartet hätte.
Daraus folgt ein andere Beobachtung: „Alle sind besonders“ – nur Bella nicht (zu Beginn der Geschichte). Sie ist das klassische Trennungskind, das zwischen beiden Welten steht, wobei sie zu Vater, bei dem sie lebt, und Mutter guten Kontakt hat. Aber sie ist nicht von Anfang an „besonders“, sondern kommt in ihre Rolle über ihre Liebe zu Edward.
Das sieht sie selbst jedoch anders, wenn sie sagt: „I’ve never felt normal, because I’m not normal, and I don’t wanna be. I’ve had to face death and loss and pain in your world, but I’ve also never felt stronger, like more real, more myself, because it’s my world too. It’s where I belong.“
Auch das wieder ein starker ’nudge‘ in Richtung Schwarze Szene.
Wie ist das jetzt mit dem Vampirsex? Film 4 ist so grund-öde, kann man sich kaum anschauen: Hochzeitsfeier, dann die „Flitterwochen“. Ich habe zunächst gedacht, das klappt nicht mit dem Sex, weil Vampire keinen regulären Sex haben können. Aber Edwards Zurückhaltung muß eher damit verbunden werden, daß er Bella nicht (beim Sex) wehtun möchte, also daß es ihm um Selbstkontrolle geht. Daraus lassen sich Bellas blaue Flecken nach dem Sex und letztlich die Schwangerschaft erklären.
Jake. JAKE… Ist für mich der nervigste Charakter im ganzen Franchise. Er ist so unglaublich manipulativ in den Filmen Bella (den Cullens) gegenüber. So versessen darauf, daß er „der EINE“ ist. Und so eine Aussage wie: er hätte Bella rumgekriegt, wäre Edward doch nur nochmal sechs Monate länger fortgewesen, ist egoistisch. Oder die Erpressung Bellas mit dem Sprung in den Abgrund, der ihm dann einen langen Kuß beschert… Oder der „Verrat“ der Baby-Geschichte an Bellas Vater, nur damit der Vampirclan nicht fortzieht.
Ich könnte mich über diesen Bodybuilder mit Babyface nur aufregen.
Das Baby… ja, alles dramatisch, und tatsächlich fragt man sich ja schon, was da in Bellas Bauch heranwächst – und man freut sich auf so ein Chest-Burster-Erlebnis wie aus Alien. Und dann kommt da mit mal eben improvisiertem Kaiserschnitt so ein Liebi-Baby raus – argl… Da hätte ich Ideen zu feinen Monstern gehabt, die Bella in Stücke reißen, alle Vampire umlegen, Jake köpfen und, und, und…
Und dann, Jake, wir lieben dich!, wird der Bodybuilder-Wolf auf das kleine Mädel namens RennMimEsse oder so, geprägt. Endlich hat der Kerl irgendeine Art von Aufgabe in seinem Leben.
(Apropos ‚Aufgabe‘: Gearbeitet wird in den Filmen tatsächlich so gut wie nicht: Bellas Vater, Polizist, sitzt auch eher mit Uniform im Diner oder beim Bier. Was machen die ganzen Vampire – außer Carlisle, der Arzt ist? Auch die High School ist für Bella und Edward eher Hintergrund als Tagespensum: man geht hin, wenn es gerade vom Drehbuch her paßt.)
Bella als Vampirin – das ist schon eine schwere Geburt… Schöne CGIs von den Blutbahnen, dem Sich-Verändern der Organe. Und – ganz wichtig: keiner der Vampire muß Bella beißen – also letztlich (s. Jagd-Kommentar oben) wieder eine Entschärfung. Ich hatte einfach häufig den Eindruck, es wird so eine weichgespülte Welt gezeigt: die Vampire als „zahme Predatoren“ und so ganz adlig wirkend…
Die „Volturi aus Volterra“ (so wie Detlev Detlevsen aus Dagebüll) sind so eine Art Vampir-Königsfamilie, die sich überall einmischt. Sie fordern, Bella muß Vampirin werden, sie kenne zuviele Interna. Daß Bella dann aber auch noch ein Vampir-Baby gebärt, läßt das Faß überlaufen. Die Gruppe aus dem warmen Italien reist in den schneebedeckten amerikanischen Norden, um die Cullens zu konfrontieren.
Dann folgt so eine Art Helms Klamm für Arme in Verbindung mit einer Zuschauer-Verarsche: der ganze Kampf findet reell nicht statt, ist nur Alices Eingebung ihrer Vorhersehung an den Volturi-Chef. Große Versöhnung steht an, denn es gibt noch andere Vampir-Mensch-Blagen. Das große Happy-End.
Es gibt keinen Teil 6, doch ich hätte noch eine Idee: Was passiert, wenn Vampir einen Werwolf beißt? Gibt das dann einen WerVamp? Oder VampWer? Oder frißt der Veggie-Vamp im weißen Anzug seinen eigenen Wolfsanteil, ohne sich schmutzig zu machen?
Also: Film 1 ok, 2 na ja, 3 ok, 4 scheiße, 5 – ach, egal.
Was bleibt, ist ein nicht genau zu beschreibendes, ungutes Gefühl. Es gibt in unserer Welt zuviele manipulative Menschen, die wie Edward oder Jake agieren. Über den hoch-manipulativen Jake habe ich mich ja schon ausgelassen, aber Edward ist genauso steuernd und kontrollierend. Beide Männer werden positiv dargestellt, als Anbieter von Problemlösungen. Das halte ich für bedenklich bis grundfalsch. Gerade für Mädchen / junge Frauen scheinen die Bücher und Filme attraktiv zu sein, weil eine langsame und zurückhaltende Herangehensweise an das Thema Sexualität gezeigt wird (shelter in a hyper-sexualized media environment).
Andererseits wird damit ein antiquiertes Modell von Sexualität als „romantische Liebe“ propagiert, das m.E. heute ausgedient hat – außer im Trad-Wife-Bereich. Doch dahin gehört Bella nicht, denn eine weitere Ausdeutung sieht sie als die Verführerin, die moderne Eva, die Edward ständig zum Sex verleiten will. Sie ist damit die „Unreife“, während der auf Zurückhaltung plädierende Edward als „erwachsen“ und kontrolliert erscheint. Offenbar hat die Autorin der Romane, Meyer, hier eigene Vorstellungen von Keuschheit verarbeitet – sie ist Mormonin. Die Kolumnistin im verlinkten Artikel schreibt: „By promoting abstinence as the “correct” moral philosophy concerning sex before marriage, Meyer is harming women that choose not to abstain before marriage, and these women already are already (sic!) shamed too much for their sex lives – patriarchy makes sure of that.“
Man kann daher nicht sagen, daß Bella sich freiwillig für das Warten bis nach der Hochzeit entscheidet; das wäre nur bei einem „normalen“ Partner der Fall. Hier ist es quasi eine Form der Unterdrückung der eigenen Sexualität im Hinblick auf eine Verwandlung vom Menschsein hin zum Vampirsein. Frage: Muß ich meine Sexualität unterdrücken, um ein „besseres“ Wesen sein zu können? Diese Frage dürfte vielen aus der BDSM-Community bekannt sein.
Und so wirkt fast alles an diesen Filmen artifiziell: kein hemmungsloser oder gar „schmutziger“ Sex vor der Ehe, kein hemmungsloses Zerfleischen von Tieren aus Durst nach Blut, kein Malochen in irgendwelchen schweißtreibenden Jobs – die Cullens wirken fast wie Außerirdische.
Ich glaube, mit dem Thema Sex zwischen Bella und Edward nimmt die Autorin der Vampirthematik eines ihrer wichtigsten „tropes“: die Erotik des Vampirs. Und nein, Hundi-Jake kann das nicht ersetzen…