Vor der Fahrt zum diesjährigen Stella Nomine Festival erinnerte ich mich an dieses, mein erstes Live-Konzert, begann diesen Text – und dann spielten The Other in Torgau die Cover-Version von „Dancing with Tears in my Eyes“…
Hier die Vorgeschichte zu diesem Event im Jahre 1986:
Ich war ab Oktober 1986 bei der Bundeswehr, 15 Monate Grundwehrdienst als Sanitäter. Am 5.12., einem Freitag, wurde unsere San-Prüfung zum Ende der Grundausbildung abgehalten. Also hatte ich vorher mit den Ausbildern gesprochen, weil ein Freund und ich ja schon Karten für das Konzert hatten – gekauft im Glauben, an einem Freitagnachmittag müßten wir beide früh frei haben, um von Neuwied nach Düsseldorf fahren zu können.
(Und Karten kaufte man damals noch im Plattenladen.)
In der Kaserne hieß es: klar, bis ca. 14 Uhr sind wir mit den Prüfungen durch, das dürfte kein Problem sein, wenn Sie etwas früher fahren.
Aber: das mußte der Hauptmann, Chef der Ausbildungskompanie, absegnen. Also wurde unter der Woche kurz angefragt, ob ich bei ihm vorsprechen könnte, und somit ein Termin vereinbart. Vorab: ich hatte da schon etwas Schiß, weil der Hauptmann als „harter Hund“ galt, der zudem gerne einen über den Durst soff. Er war auch gegenüber den Ausbildern streng, vielleicht launisch. Also von der Dienstuniform zum Ausgehanzug gewechselt, von den Kameraden checken lassen, ob alles „sitzt“, dann runter zu seinem Zimmer. Angeklopft, „HERREIN!“
Wenn man dann einem Vorgesetzten gegenübertritt, geht man in die Grundstellung (Beine zusammen, Hände an die Hosennaht) und legt die Hand an die Schläfe bzw. Mütze zum Gruß. Üblicherweise heißt es dann „rühren!“ und man darf sich zwanglos hinstellen. Nicht so bei mir und Herrn Hauptmann: der ließ mich für ein Gespräch über mehrere Minuten in der Grundstellung stehen und fragte mich aus. Ob ich denn nicht wüßte, daß Prüfungen seien. Doch, aber die Ausbilder rechnen mit schnellem Durchgang und würden 14 Uhr als frühere Zeit für mich befürworten. Ja, aber man könne nicht einfach so gehen, wie man wolle. Es sei ja Dienstzeit… Ich dachte an eine Ausnahme, Herr Hauptmann, usw. Ja, da könne ja jeder kommen. Und wegen eines ‚Konzerts‘?
Boah, das war mir so peinlich, über meine Lieblingsband so einem Typen berichten zu müssen. Letztlich überzeugte ihn wohl auch der Umstand, daß ein weiterer Mensch, mein damaliger bester Freund, mitfahren würde, so daß eine Entscheidung gegen mein früheres Verlassen der Kaserne uns beide betreffen würde. Ich sollte ja kein „Kameradenschwein“ sein. Das war für ihn, so habe ich es verstanden, ausschlaggebend.
Also kam nach einigen Minuten das OK. Warum der mich nicht rühren ließ, ist mir noch immer unklar. Vermutlich wollte er einfach seine Macht ausspielen. Das ist eine der „strangesten“ Erinnerungen an diese Bundeswehrzeit, die auf jeden Fall eines bewirkt hat: ein dauerhaftes Interesse am Thema Erste Hilfe.
Dann ging alles schnell: Am Freitag, 5.12.86, mittags nach bestandener Prüfung erstmal anderthalb Stunden nach Neuwied gedüst, dann den Freund im Nachbarort abgeholt – und los Richtung Düsseldorf. Es schneite im Westerwald, aber wir kamen trotzdem ganz gut durch. (Das schreibe ich heute so einfach: ich war vorher noch nie mit dem Auto in einer Großstadt – und man fuhr nicht mit Navi, sondern Karte…)
Als Warm-up sang Brian Eno (ehemals Roxy Music, zum damaligen Zeitpunkt Produzent von U2-Alben). Routiniert, etwas distanziert vom Auftreten, die großen Hits – schön, stimmungsvoll, ok.
Ultravox waren auf der U-VOX-Tour zum gleichnamigen Album. Das war deutlicher poppiger als die früheren, so daß ich in einem Zwiespalt war: ja, die Songs waren hörenswert und eingängig bis dudelig, aber der Stil hatte sich doch aus meiner Sicht nachteilig verändert.
Man startete mit „Same Old Story“, um dann gleich den Kracher „The Voice“ nachzulegen. Weiter mit „New Europeans“ ebenfalls aus der Frühphase, um über „White China“ wieder zum aktuellen Album zu kommen: „Sweet Surrender“, „All stood still“. Über „Dream on“ und „All in one day“ ging es zurück zu meinen Klassikern: „Lament“ und „Hymn“.
Wieder Sprung zurück zu U-Vox: „Time to kill“ / „The Prize“ – somit wurde bis auf zwei Songs das gesamte Album gespielt.
„Vienna“ – ein absoluter Klassiker – hatte ich eigentlich als Zugabe erwartet, aber dem war nicht so. Es war der viertletzte reguläre Song vor „Passing Strangers“, „One small day“ und „Love’s great adventure“. Abgang von der Bühne.
Die Zugaben waren dann die nach „Vienna“ zweit-verkaufsstärkste Single: „Dancing with Tears in my Eyes“ sowie das über fünf Minuten zelebrierte „All fall down“. Ich frage mich, ob Ronan Harris von VNV Nation seine Inspiration zu „All our sins“ als regelmäßiger Abschlußtitel seiner Shows eventuell von Herrn Ure genommen hat… 😉
Heute weiß ich, daß es nicht mehr als ein routinierter, auch recht nüchterner Gig am Ende dieser Phase der Band war. Kommerziell war U-Vox kein Erfolg – ein Jahr später wurde die Auflösung der Band verkündet.