Penny Dreadful (Serie)

Manchmal frage ich mich, ob ich signifikante Phasen meines Lebens irgendwo in einem Paralleluniversum verbringe… Wie konnte mir denn Penny Dreadful (PD) entgehen!? Da stoße ich jetzt zufällig auf die Serie von 2014, weil alle drei Staffeln bei iTunes im Angebot sind.

Ich weiß nicht, kennt ihr das? Man sucht bei Netflix, aber alles, was “HEUTE heiß in Germany” ist, motiviert mich nach 2 Minuten dazu, abzuschalten. Und dann kommt so ein Knaller wie PD, fesselt mich an den Bildschirm. Und das Gefühl der “Dankbarkeit”: etwas gefunden zu haben, das man mag.

[Spoiler!] Erste Staffel ist jetzt durch, die beiden anderen schaue ich nach dem Urlaub. Um was geht es bei PD? Das ist einfach zu beschreiben: wir sind im London kurz vor der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert. Alles, was wir aus Romanen dieser Zeit (bzw. von etwas früher) kennen, hat einen Platz in dieser Serie, so eine Art “Mixed Pickles” aus Jack the Ripper, Dorian Gray, Graf Dracula, Van Helsing – und Frankenstein. Die Serie greift dabei den Begriff “Penny dreadful” auf, der für eine Art Groschen- und Fortsetzungsromane aus dem 19. Jahrhundert in England steht, die Schauergeschichten erzählten.

Ähnlich geht die Verfilmung vor, macht dies aber so genial, daß ich in den Bann gezogen werde. Vor allem: das ist – für mich – großes Kino – langsame Kamerafahrten, lange Inszenierung einzelner Motive, keine Hektik, Auskosten der Kulissen – sehr schön für einen non-ADHS “Old Guy”.

Überzeugen können für mich vor allem Eva Green als Vanessa Ives und Harry Treadaway als Victor Frankenstein. Ives tritt zusammen mit Malcolm Murray auf, einem Afrikaforscher, gespielt von Timothy Dalton, aber die Beziehung der beiden wird erst im Laufe der ersten Staffel offengelegt. Mina Harker, die wir aus Dracula kennen, ist die Tochter Murrays und (ehemalige) Freundin Ives’. Der sich durch diese Staffel ziehende Strang ist die Suche nach Mina, die von sonderbaren Wesenheiten entführt wurde, die Van Helsing – als Kenner – als ‘Hämophagen’ bezeichnet – Blutfresser – Vampire.

Daneben bastelt Frankenstein an seiner zweiten Kreatur, nicht ahnend, daß die erste für ihn noch einmal zu einer großen Herausforderung werden würde.

Dann ist da noch Ethan Chandler (Josh Hartnett), Scharfschütze einer reisenden Cowboy-&-Indianer-Truppe à la Buffalo Bill, der mit eigenen Traumata aus den sogenannten Indianerkriegen kämpft und in der todkranken Brona die große Liebe findet, die auf bizarre Weise bald die eines anderen werden wird… *hust*

Dorian Gray, vom “Schönling” Reeve Carney gespielt, liegt mir nicht, obgleich ich zugeben muß, daß er gut spielt. Da paßt alles irgendwie zusammen, die Charaktere ergänzen sich, sind Sonderlinge, die Opportunitätsbeziehungen eingehen – und sich auch irgendwie mögen, zumindest respektieren.
Gerade zu Dorian Gray muß man der Kritik auf Film-Rezensionen.de ein wenig zustimmen: manchmal verliert der rote Faden der Staffel an Leuchtkraft. Da muß man sich auf Nebenthemen einlassen, bis ‘alle’ wieder an Mina Harkers Verschwinden arbeiten.

Mit Vanessa Ives ist auch das Thema Exorzismus Teil der bunten Welt im tristen London. Trotzdem ist da Wärme, z.B. wenn Frankensteins erste Kreatur warmherzig von einem Schauspieler des Theaters aufgenommen und akzeptiert wird, wenn Ethan sich liebevoll um die sterbende Brona kümmert – und von Frankenstein hintergangen wird.

Wenn Du die Serie noch nicht kennst, gib ihr eine Chance. Gern an einem dunklen, verregneten Abend, vielleicht Richtung Herbst. Verwende keinen zu kleinen Bildschirm, laß die Bilder auf dich wirken – und freu dich an der Vielfalt der “Gothic Literature”, die die Episoden so gerafft und kondensiert auftischen, daß man nur staunen kann, und unbewußt zum Handy greift, um sich auf Booklooker Sheridan Le Fanus “Carmilla” oder den “Mönch” von Lewis zu bestellen.

[Nachtrag zu Staffeln 2 und 3 folgt später.]

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