Assemblage 23 (Kulttempel, 20.10.25)

Manchmal hat man Glück – so sind wir auf der A3 im Berufsverkehr ohne Probleme nach Oberhausen gefahren, während es sich Richtung Frankfurt öfter staute. Überrascht stellten wir fest, daß nun ein Schotterweg zum Parkplatz der Turbinenhalle angelegt war, so daß wir – bei vollem Parkplatz des Kulttempels – dort parken konnten. (Sah nach Baustellenausfahrt aus.)

Der Kulttempel war nicht ausverkauft; man sah auch, daß es sich erst zu Assemblage 23 füllte. Mari Kattman, Ehefrau von A23s Tom Shear startete pünktlich um 20 Uhr. Ihren Stil zu beschreiben, fällt mir schwer: irgendwo zwischen EBM und Electro, manchmal etwas „trance-ig“; andere schreiben: Industrial oder Hip-Hop-Anleihen.

Vielleicht fällt es mir auch deshalb schwer, weil der Auftritt alles hatte, was mich positiv triggern müßte (Electro, spritzige Sängerin, dem Publikum zugewandt, beweglich auf der Bühne, ausdrucksstark bei der Performance…), es aber nicht tat. „Anemia“ hat mir gut gefallen, auch „Swallow“ – aber am Ende hat Mari Kattman mich nicht erreicht.

Nach dem „Gefälligkeits-Applaus“ für Kattman wurden Assemblage 23 (Tom Shear + Paul Seegers) mit frenetischem Applaus begrüßt. „Bravery“ war ein perfekter, knalliger Opener mit einer für A23 so typischen Textzeile wie: „Some days just waking up is an act of bravery“. Dafür liebe ich Tom und seine Musik.

Über „Opened“ ging es zum ersten Hit: „Naked“, gleich gefolgt von „Welcome, Apocalypse“. In dem Moment erinnerte ich mich an die Covid-Live-Streams aus dem Kulttempel, um etwas Einkommen via Spenden zu generieren. Da hatte ich mir „Naked“ gewünscht – 5 Jahre später stehe ich hier vor der Bühne und höre es live.

Erster neuer Song „Believe“, nun ja, für mich von Musik und Text her durchschnittlich. Über das lange „Complacent“ („I’m so tired of drifting backwards standing still, So throw the towel in, if you must, Give up hope and give up trust – And I promise you’ll drift backwards standing still“) weiter zu einem Lied, das ich sehr liebe: „Let me be your armor“.

Bei den neuen Songs fand ich, daß sie sich von „Believe“ über „Gone“ bis zum letzten, „Tolerate“, steigerten. „Drive“ hatte ich vorher nicht auf dem Schirm, gefiel mir jetzt sehr gut: einfach ins Auto steigen und losfahren, um einen ‚Tapetenwechsel‘ zu haben: „Sometimes I drive to run from all my demons.“ Da kommen Emotionen hoch, da holt mich Tom wieder einmal ab. Vielleicht aber auch, weil ich gerade in einer Phase bin, wo ich meinen Dämonen wieder einmal den Kampf angesagt habe, die Stirn biete.

Die zwei letzten Song des ersten Teils waren „Let the Wind erase me“ und dann der Song, der natürlich nicht fehlen darf: „The Noise inside my head“. Ich weiß, daß die Lyrics sich nicht um Tinnitus drehen, aber wenn ich an meinen denke, paßt eine Zeile wie: „In the darkness, No one else can hear a sound, But I am deafened by this ceaseless disarray.“ Dann der charismatische Refrain: „I could scream myself to sleep / If it would shatter the illusion / But I can’t give in to this / ‚Cause it’s the noise, that makes me human“.
Das heißt, der Gedankenwirrwarr ist zwar nervtötend, aber er ist das, was mich wirklich menschlich macht. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, in Stille zu investieren… 😉

Tom meinte dann, jetzt müßten theoretisch alle applaudieren und Zugabe rufen, aber … „what a waste of time!“. Kurz gefragt: Wollt ihr mehr, kurze Antwort: JAAA!

So ging es mit „Ground“ weiter, dann das hypnotisch-eindrucksvolle „Disappoint“ („Though you are gone / I am still your son / And while your pain is over / Mine has just begun“) – hin zum Klassiker „Damaged“.

Alles in allem eine „fette A23 Experience“ – mit den Klassikern, die man hören möchte, und drei neuen Liedern, von denen „Tolerate“ und „Gone“ gut waren, aber – nun ja – nicht wirklich mit Hit-Potential (für mich). Hört mal in das neue Album „Null“ rein, das am 7.11.25 erscheint! [Ich habe auf Spotify eine Playlist mit dieser Setlist gemacht; „Gone“ füge ich später hinzu.]

5 Minuten nach der Show kam Tom zum Merch-Stand für Gespräche und Fotos. Wir tranken noch etwas, hörten einem resignierten Oberhausener zu, der erzählte, wie voll früher alle Kneipen waren, wenn man nach einem Konzert noch irgendwo hin wollte. Das tue weh, wenn man so aufgewachsen sei, und nun das erlebe, was übrig ist. Wahre Worte.

Getrübt wurde das Gefühl, ein wundervolles Konzert erlebt zu haben,  durch das Vorbeifahren auf dem Rückweg an einer riesigen Unfallstelle, so kam es uns vor, mit einem Blaulichtgewitter der Einsatzfahrzeuge, wie ich es noch nicht gesehen hatte. Offenbar war ein 84-jähriger Geisterfahrer auf der A3 mit anderen Wagen kollidiert, dabei getötet worden. Die Polizei ließ das Stauende wenden, und leitete die Fahrzeuge zum Kreuz Hilden zurück. Wir kamen wieder gut durch, sprachen aber darüber, daß so eine Aktion wie „mal eben 2 Stunden Richtung Ruhrgebiet zum Konzert fahren“ in keiner Weise ‚garantiert‘ erfolgreich sein würde. Daher mag ich es lieber, gemütlich am Nachmittag zu einem Hotel fahren zu können. Rush out.

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