The Exorcists von Jose Prendes aus dem Jahr 2023 mit dem schon unheilschwangeren deutschen Untertitel „Die Hölle öffnet ihre Pforten“ habe ich via Amazon Prime gesehen und vergebe ** von fünf Sternen.
(Wikipedia-Seite des Films) – Mein Text spoilert – wie immer – den Großteil des Films.
Manchmal ärgert es mich, daß man sich einfach einen Begriff wie „Exorcist“ aus einem zudem bekannten Franchise nehmen und ihn für eigene Dinge verwursten darf. So ist das auch mit The Exorcists, einem klassischen low-budget B-Movie mit Doug Bradley in einer Hauptrolle.
Wir haben natürlich wieder altbekannte „Tropen“ (tropes – ein aktuell inflationär gebrauchter Begriff): der alte Exorzist Ryland (Bradley), der nach dem Tod eines Jungen unter einem von ihm verantworteten Exorzismus nicht mehr praktiziert. Hinzu kommt der – gern mit lateinamerikanischen Wurzeln versehene – junge Priester Cortez (Maraña), der mit dem Auftrag von Rylands ehemaligem Mentor (Mentorenschaft, der Jüngere lernt vom Älteren, ganz wichtig in E-Filmen) an diesen herantritt: Huxley Hendrix, ein 14-jähriges Mädchen sei besessen und solle exorziert werden.
Die psychiatrische Abklärung sei gelaufen, das Bistum habe schon zugestimmt. Auch die Baptistin „Reverend Bates“ wird hinzugezogen, was man am ehesten mit Frauenquote und religiöser Vielfalt erklären kann, denn bei einem katholischen, vom zuständigen Bistum abgesegneten Exorzismus wäre so eine „Besetzung“ nicht denkbar. Der Film erklärt es trivial (3 Priester = Dreifaltigkeits-Symbol) und nutzt den Begriff Exorzismus-Marathon für eine dauerhafte Bearbeitung des Dämons durch drei sich abwechselnde Exorzisten.
Als erstes bin ich über die Hinzunahme der Ärztin Beckett gestolpert, denn sie wird zu Beginn im Grunde nur für die Rolle der „Ungläubigen“ benötigt, wird vorgeführt, wie sich keine Fachärztin vorführen lassen würde. Sie lehnt religiöse Dinge ab, wird mit einem Weihwasser-Doppel-Blind-Versuch „überzeugt“ usw.
Alle Personen (die beiden Exorzisten Ryland und Cortez, die Dritte im Bunde, Bates, Ärztin Beckett sowie die Nonne Schwester Caroline und Whit, Huxleys Vater, treffen sich in einer Art Kirchenbau (?), wo einerseits Huxley einquartiert wurde (und im Bett liegt), andererseits auch Wandnischen-Gräber in einer großen Halle vorhanden sind – hier startet der Nebenstrang mit vier Jugendlichen, die in eben diese Halle eindringen und den Geist einer Verstorbenen beschwören wollen.
Ich hebe mal hervor, was mir gut an diesem Film gefallen hat: die Sprechtexte der Exorzisten sind nicht direkt aus dem Rituale Romanum entnommen, aber – in der von mir geschauten deutschen Übersetzung – gut gelungen. Sie heben sich positiv von anderen Filmen ab, wo z.B. nur bekannte Gebete heruntergeleiert werden.
Doch der Regisseur hat sich so gewissenhaft beim großen Vorbild bedient, daß auch die Namensabfrage des Dämons als handlungstragendes Element im Film geblieben ist. Bei heutigen Exorzismen wird nicht mehr nach dem Namen des Dämons gefragt, um dadurch Macht über die Wesenheit zu erlangen. The Exorcists hingegen baut ganz auf dieses Element, denn wir erfahren später, daß der Dämon, der seinen Namen letztlich doch preisgibt, alle Anwesenden bereits „kennt“.
Die besessene Huxley ist für meine Verhältnisse etwas übertrieben geschminkt; es dominieren die weißen Kontaktlinsen. Im Deutschen spricht der Dämon mit Männerstimme aus ihr, im Original spricht Michelle Bauer ihn.
Bates versucht sich als erste mit dem Exorzismus, wird vom Dämon an ihren toten Vater erinnert und holt sich eine ‚blutige Nase‘. Ryland legt nach, erleidet einen Schwächeanfall, muß seine Herz-Medis schlucken (vgl. Merrin in The Exorcist).
Die vier Jugendlichen sind dann so langsam alle auch vom Dämon besessen und wie Zombies geschminkt. Ihre Rolle ist so überflüssig wie selten ein Stilmittel in einem Film: durch sie erfahren wir, daß auch Huxleys Vater vom Dämon besessen ist. Der Dämon hat also eine „split personality“, kann mehrere Menschen gleichzeitig kontrollieren.
Das Finale (ohne Grande) kündigt sich damit an, daß die völlig areligiöse Ärztin den anderen offenbart, sie sei bereits von diesem Dämon als Kind besessen gewesen. Nein, sowas!? Ihr Exorzist war der alte Mentor von Ryland… Sachen gibt’s. Beckett ist nur deshalb anwesend, weil der Dämon via ebenfalls besessener Schwester Caroline konkret nach ihr gefragt hatte. Wer bis hier gelesen hat, kann vielleicht schon ein wenig nachvollziehen, wieso Filmstarts schreibt, daß der Regisseur den Original-Stoff „durch den Trash-Fleischwolf gezogen“ hat (Quelle).
Das ist wirklich alles sehr trashig inszeniert und zum großen Teil schlecht gespielt. Diese grottigen Dialoge, z.B. wenn Caroline mit Revolver auf Bates losgeht, die die Kugel mit Notizblock (!) in der Brusttasche abwehren kann, bevor sie von der Schwester erstochen wird. Gewalt ist beliebig ausgestaltet: der männliche Part der vier Jugendlichen wird von Huxleys Vater dermaßen „bearbeitet“, daß er das kaum überleben könnte – tut er aber doch…
Der Dämon nennt sich Lamech – das ist kein typischer Dämonenname in solchen Filmen. Die Suche führte zuerst zu: Lamech (englisch gesprochen: Lamek), ein Nachkomme Kains im Alten Testament, Vater Noahs. Lamech ist mit der Zahl 7 verknüpft, so in der Aussage, wenn Kain siebenfach ‚gerächt‘ werde, dann er siebenundsiebzigfach. Zudem wurde er 777 Jahre alt. Die Sieben ist eine Zahl der Vollkommenheit (sieben Tage der Schöpfung, sieben Sakramente…) und der Weisheit; sie steht für die Verbindung von Göttlichem (3) mit Irdischem (4). Aber warum der Dämon sich Lamech nennt – oder der Drehbuchschreiber ihn gewählt hat -, ist unklar. Also nochmal gesucht: da schau her, es gibt einen Dämon Lamek in einem LARP namens „The Devil you know„. WTF…
Aber zurück zur Handlung, in der sich alles falsch anfühlt, mal überzogen, mal lächerlich, wie z.B. die Reanimation Huxleys (klar, da sind natürlich auch sofort die Shock Paddles bereit), die eher auf eine „Wiederbelebung“ der Lunge als des Herzens zielt, weil man für eine richtige Ausführung die Brüste Huxleys hätte zeigen müssen…
Und natürlich kommt, was kommen muß: Ryland, der alte Priester, opfert sich, in dem er den Dämon in sich zieht, woran beide an des Priesters Herzleiden versterben. Vorher wird erklärt: Der Dämon, der beim Tod seines „Wirts“ noch in diesem ist, wird für ewig von der Welt verbannt – was so schlichtweg keinen Sinn ergibt.
Lamek sagt gegen Ende zur Ärztin: „Das ist Krieg, Olivia“, und das war auch mein Eindruck beim Schauen: ein Krieg gegen meinen (guten) Geschmack, gegen meine Grenze des Erträglichen. Völlig schleierhaft ist mir, warum man so eine „Mockbuster“-Version des Stoffes überhaupt drehen muß. Zwei Sterne vergebe ich nur, weil mir die Exorzismus-Texte, die gesprochen werden, als gut und nachvollziehbar erscheinen, wenn man nicht die Originaltexte verwenden will. Alles in allem hängt der Film am Vorbild, macht fast alles schlechter, will einerseits modern wirken (Baptisten-Pastorin als Exorzistin), bleibt andererseits am Thema des „Namens des Dämons“ hängen.
Letztlich ist das mit dem Namen vielleicht so ein Punkt, an dem es einem wirklich guten Exorzisten-Film gelingen muß, sich von diesem alten Konzept zu lösen. Denn heutige Exorzismen stellen nicht mehr diesen Machtkampf in den Vordergrund, wie auf der Übersichtsseite kurz angerissen. Damit muß man aber auch fragen, wie lange man so ein Genre fortführen kann, wenn man am Alten haften bleibt.